Das Rütli ist ein Ort der Geschichte und Geschichten, der Historie und der Mythen
Die „Wiege der Eidgenossenschaft“ steht für die Freiheit und Unabhängigkeit der Waldstätten des 14. Jahrhunderts, für Schillers Tell-Drama des 19. Jahrhunderts, für die Schweizer Réduit-Strategie des 2. Weltkriegs sowie für die Instrumentalisierung politischer Extremisten zu Beginn des 3. Millenniums. Dank Apps sollen die Rütli-Besucher künftig mehr über die Geschichte dieses „Denkmals ohne Denkmal“ erfahren. Das Rütli soll vermehrt ein Ort des nationalen Zusammenhalts werden. Mehrere Texte laden zu einem Gang durch Geschichte und Geschichten des Rütli ein:
Das Rütli – gestern, heute und morgen
Das Rütli wird gerne als “Wiege der Schweizerischen Eidgenossenschaft” bezeichnet. Lange Zeit galt der idyllische Ort am Urnersee als Höhepunkt einer Schweizerreise von ausländischen Gästen. Der Bayernkönig Ludwig II. wollte anno 1865 auf dem Rütli ein Schloss im Stil von Neuschwanstein bauen lassen. Im Jahr 1980 pries Queen Elisabeth II. auf dem Rütli die lange Schweizer humanitäre und demokratische Tradition. Und als Vaclav Havel, der frühere Präsident Tschechiens und Kandidat für den Friedensnobelpreis, am 29. Juni 2001 zusammen mit Bundespräsident Moritz Leuenberger das Rütli besuchte, sprach der ehemalige Regimekritiker:
„Ich verneige mich vor diesem Platz vor dem Prinzip des Vertrages. Die Schweizerische Eidgenossenschaft wurde durch einen Vertrag gegründet und ich sehe darin ein Prinzip, welches sich immer deutlicher in der weltweiten Ordnung durchsetzt: einen Vertrag, der auf der Gleichberechtigung zwischen den Menschen, den Bürgern, der Nationen, der regionalen Gesamtheit, basieren sollte. Und ich verneige mich hier vor dem Willen der kleinen Nationen, den kleinen Einheiten, der kleinen Gemeinden, in Frieden leben zu wollen, dem Druck der Mächtigen und Starken zu trotzen. Aus dem Willen zum freien Leben und dem Willen, dem Druck der Weltmächte Widerstand zu leisten, wurde hier auf dieser Wiese seinerzeit die Schweiz geboren.“
Gleichzeitig ist das Rütli bis heute ein unprätentiöser Ort ohne Denkmäler und Monumente geblieben. Das Rütli ist geprägt von Geschichte, Legenden und Dichtung. Für viele ist das Rütli wegen des Schwurs von 1291 bis zum heutigen Tag ein Ort der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Widerstands.
Das Rütli war immer wieder ein Ort, wo sich Politiker in ihrem Kampf für Unabhängigkeit und Frieden trafen. Im Jahr 1674 wurde auf dem Rütli eine Landsgemeinde abgehalten, weil die Grenzen bei Basel bedroht waren und weil im Kanton Uri eine innere Spaltung drohte. Und als sich Uri, Schwyz und Nidwalden wegen der Verwaltung der Vogteien im Tessin entzweit hatten, schlugen die Urner im Oktober 1704 vor, jährlich auf dem Rütli eine Zusammenkunft zu halten, um anstehende Konflikte in Frieden zu bereinigen. Nach dem für die katholischen Orte unglücklichen Ausgang des Zweiten Villmergerkriegs 1712 wurde der Gedanke einer Bundeserneuerung von den Schwyzern wieder aufgegriffen, und es fand eine urschweizerische Landsgemeinde auf dem Rütli statt. Zur Zeit der französischen Revolution und der Bedrohung der Alten Eidgenossenschaft wurde das Rütli zu einer patriotisch-geistigen Zufluchtsstätte.
Nach der Errichtung der «Helvetischen Republik» im Jahr 1798 fuhren auch die Räte dieses neuen Staatswesens auf das Rütli, um «dem ersten Freiheitsaltar ihrer Väter die schuldige Ehrfurcht und die Erstlinge des Dankes vom neuen wiedergeborenen Helvetien zu bringen.»
Die SGG kaufte anno 1859 das Rütli nicht bloss, um geplante touristische Bauten am Urnersee zu verhindern. Nach dem Sonderbundskrieg von 1847 suchte der junge Bundesstaat nach symbolträchtigen Gesten der Versöhnung mit den unterlegenen Ständen. Der Kauf des Rütli durch die liberale SGG anno 1858 und das Geschenk an den Bund anno 1860 bildeten die stärkste Kohäsions-Geste jener Zeit. Das Rütli stand bis zum Kauf durch die SGG für die alte Eidgenossenschaft, mit der sich viele Kantone nicht identifizierten. Gerade weil der Bundesstaat von 1848 kein Denkmal und keinen Gedenktag besass, sollte mit der Einrichtung des Rütli ein Nationaldenkmal geschaffen werden, das den neuen Bundesstaat legitimieren und die nationale Identität stiften sollte.
Im jungen Schweizer Nationalstaat, der 1848 gegründet wurde, verlor das Rütli zunächst an Bedeutung. Die moderne Schweiz von 1848 besitzt keinen eigentlichen Ort des Gedenkens und kein nationales Monument des Erinnerns. Das ist vermutlich mit ein Grund, warum das Rütli fast 100 Jahre später auf einmal wieder eine zentrale Bedeutung für die Schweiz erlangte. Nachdem Frankreich im Juni 1940 gefallen war, war die Schweiz vollständig von den Achsenmöchten des Zweiten Weltkriegs umzingelt und geriet unter starken militärischen, politischen und wirtschaftlichen Druck. Unsicherheit und Entmutigung nahmen in weiten Teilen der Bevölkerung und auch in der Schweizer Armee zu. Darum versammelte General Henri Guisan am 25. Juli 1940 die rund 500 höheren Offiziere und wählte als Ort dafür das Rütli.
Gefahr ideologischer Instrumentalisierung
Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Rütli nicht mehr so sehr ein Symbol der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Widerstands. Vielmehr wurde der Ort für konservative und patriotische Propaganda gebraucht und missbraucht. Bereits im Jahr 1945 kämpfte der Schwyzer Nationalrat Schuler gegen das sozialdemokratische Postulat des Frauenstimmrechts und argumentierte, dass die drei Eidgenossen auf dem Rütli anno 1291 alles Männer waren und dass darum Frauen in der Schweiz weder wählen noch in Ämter gewählt werden sollen. Diese mit dem Rütli assoziierte frauenfeindliche Tradition fand ihren Höhepunkt, als auf der Rütliwiese ein Sprengsatz explodierte, kurz nachdem die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am 1. August 2007 ihre Festansprache gehalten hatte.
In den letzten 50 Jahren wurde das Rütli aber nicht nur von frauen- und fremdenfeindlichen Gruppierungen politisch vereinnahmt. Im April 1968 hissten jurassische Separatisten auf der Rütliwiese die Fahne des späteren Kanton Jura. Und in der Nacht zum 1. August 1996 hissten Studenten der Universität Fribourg auf der Rütliwiese die Europafahne anstelle der Schweizerfahne.
Das Rütli heute und morgen
Auf Grund der bewegten Geschichte, der prägenden Legenden, der dramatischen Dichtung und der politischen Vereinnahmung will die SGG diesen symbolisch aufgeladenen Ort in Zukunft proaktiv mit positiven Inhalten füllen und speziell fünf Aspekte fördern:
Das Rütli soll ein Denkmal ohne Denkmal sein. Es existiert eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen der symbolischen Bedeutung dieses nationalen Denkmals und der Einfachheit des Ortes selbst. Dieser Zwiespalt soll auch erhalten bleiben. Das Rütli bleibt die schweizerische Weihestätte, es ist ein verbindender Ort des Gedenkens ohne Pomp und Pathos. Es ist eine Stätte des Nachdenkens und der inneren Einkehr. Das Rütli soll bewusst ein Monument ohne Monument bleiben – ein Denkmal ohne Denkmal. Alle Versuche, auf dem Rütli Denkmäler zu errichten, scheiterten.
Das Rütli soll ein Ort der Integration sein. Gerade weil das Rütli in den letzten 15 Jahren verstärkt durch rechtsextreme Propaganda missbraucht wurde, versucht die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft das Rütli vor politischer Vereinnahmung möglichst zu bewahren. Darum hat die SGG im Januar 2014 eine Benutzungsregelung erlassen, die es politischen Gruppierungen untersagt, für partikuläre politische Ziele zu werben. Das Rütli wird zweifellos stets ein politischer Ort bleiben, aber er soll nicht für partikuläre politische Ziele instrumentalisiert werden, die die Schweiz und deren Einwohner spaltet, sondern eint. Das Rütli soll vermehrt ein Ort des Dialogs statt der Reden werden.
Das Rütli soll ein Lernort der Geschichte sein. Heute reisen weniger Schulklassen als früher auf das Rütli, weil in der Erlebnisgesellschaft eine simple Wiese mit Grillplatz nicht mehr attraktiv genug wirkt für Schulreisen. Darum wird die SGG einen Raum sowie mehrere Stationen auf dem Rütli einrichten, wo Kinder reell und virtuell erlebnisorientiert etwas über die Geschichte des Rütli und der Schweiz erfahren. Das Rütli soll so vom Denkmal zum Denkmal werden.
Das Rütli soll ein Ort der Identität und des Zusammenhalts sein. Die Schweiz ist ein Land von verschiedenen Kulturen, Sprachen, Religionen, sozialen Schichten und Wertesystemen. Die nationale Identität und der landesweite Zusammenhalt sind darum nicht selbstverständlich. Aus diesem Grund wird die SGG regelmässig Menschen und Gruppen mit unterschiedlichem kulturellem und sozialem Hintergrund aufs Rütli einladen, damit diese gemeinsam ihre Identität der Einheit in Verschiedenheit reflektieren und stärken können.
Das Rütli soll ein Ort der globalen humanitären Tradition sein. Die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist stark in die globale Wirtschaft integriert. Die humanitäre Tradition, die Neutralität und die kulturelle Vielfalt haben international zum Erfolg und zum guten Ruf der Schweiz beigetragen. Die unprätentiöse Rütliwiese soll darum in Zukunft vermehrt zur Quelle werden für Menschen und Gruppen, die dem Frieden und der kulturellen Vielfalt weltweit dienen wollen. Die SGG ist offen, internationale Gruppen sowie Konferenzen, die in der Schweiz stattfinden, aufs Rütli einzuladen.
Lukas Niederberger, SGG-Geschäftsleiter bis 2022
Von der Verschwörung zur Beschwörung, von Prof. Dr. R. Sablonier, Uni Zürich
Wo ist das Rütli, sieht man das von hier aus? So fragen häufig ortsfremde Besucher im Schwyzer Bundesbriefmuseum, und im Ausstellungssaal lässt Clénins Wandbild zum Rütlischwur die Frage erst recht aufkommen. Obschon das Rütli auf Urner Boden liegt, ist es in der nationalen Erinnerungskultur mit Schwyz verknüpft: In den volkstümlichen Geschichtsvorstellungen verbindet sich der Rütlischwur der Drei Eidgenossen mit der Beschwörung des ersten Bundes von 1291. Vom lateinischen Bundesbrief von 1291 ist bekanntlich nur eine Fassung in Schwyz erhalten. Sie wird seit 1936 mit der Sorgfalt, die diesem aussergewöhnlichen Dokument gebührt, in Schwyz im Bundesbriefmuseum aufbewahrt.
Die Vorstellung vom Rütli als «Geburtsstätte» der Eidgenossenschaft und als Ort des ersten Bundesschwurs hat in den letzten Jahrzehnten weniger stark an Wirkung eingebüsst als andere nationalhistorische Bilder. Die symbolische Ausstrahlung des nationalen Erinnerungsorts lässt sich in der Politik von ganz verschiedener Seite nutzen. Die politischen Auseinandersetzungen um die Bundesfeiern am 1. August auf dem Rütli, wie sie seit dem Jahr 2000 zur unschönen Regel geworden sind, ändern nichts daran: Nach wie vor ist das Rütli ein besonderer Ort, als «stilles Gelände am See» sozusagen ein Landschaftsdenkmal für die schweizerische Nation. Hier sollen die Vorväter aus Uri, Schwyz und Unterwalden mit ihrem Schwur die Eidgenossenschaft gegründet haben, und das ist immer noch offizielle Staatsdoktrin.
Rütlifeiern und Rütlikult
Wie erklärt sich die fortdauernde Bedeutung der Rütliverehrung? Das hängt wesentlich mit den grossen Staatsjubiläen zusammen. Festveranstaltungen zu schweizerischen Staatsjubiläen kommen tatsächlich nicht ohne das Rütli und die damit verknüpften Feiern in Schwyz aus. Zuletzt 1991: «Mit neun Fingern wurde die Schweiz 1291 aus derTaufe gehoben», so verkündete werbesprachlich simpel der offizielle Prospekt der 700-Jahrfeier. Auf dem Rütli sprach damals vor 5000 Leuten, darunter den versammelten europäischen Parlamentspräsidenten, der höchste Schweizer, Nationalratspräsident Ulrich Bremi, und seine Rede enthielt unter anderem einen noch heute aktuellen Aufruf zur solidarischen Beteiligung an der Gestaltung des neuen Europa.
In einer wesentlich anderen Situation wurde im Rahmen des 650-Jahr-Jubiläums die Rütlifeier anfangs August 1941 begangen. Die bedrohliche Lage der Schweiz bescherte dem Rütli als Symbol von Einigkeit und Widerstand geradezu kultische Verehrung. An Ort und Stelle triumphierten Feuermagie, männerbündlerische Schwurrituale und parareligiöse Festliturgien, bis hin zu spiritistisch-magischen Geheimhandlungen wie etwa die heimliche Beschaffung des Ur-Rütlifeuers aus der Kirche in Schwyz. Vieles davon erscheint als Ausdruck von zeitgebundener Blut- und Bodenstimmung. Die heutige Distanz zu diesem besonderen Pathos, in dem sich Zeitängste, patriotische Ergriffenheit und nationalistische Ideologisierung zusammenfanden, ist berechtigt – nur extreme Kreise möchten diese längst erloschenen Gluten wieder anblasen.
1941 war, aus der Rückschau auch vor dem Hintergrund des Rütlirapports von General Guisan 1940, ein eigentlicher Höhepunkt des Rütlikults. Aber Wellen von Rütli-Begeisterung hatte es schon früher gegeben. War um 1760 ein gewisser Aufschwung im Zeichen aufklärerischer Vaterlandsbegeisterung noch eine eher elitäre Angelegenheit, legten nach 1800 Alpenromantik, Freiheitsdiskussion und Volksbewegung die Basis für eine breite Popularisierung, in gewissem Sinne in Richtung einer Demokratisierung der Erinnerungskultur, für die unter anderem das Rütlilied von 1820 steht. Eine besondere Rolle dafür spielte Schillers Drama «Wilhelm Tell», 1804 uraufgeführt und 1828 mit grossem Echo in Küssnacht in einer Freilichtaufführung gezeigt. Nicht zu vergessen ist auch die am 3. August 1829 in Paris uraufgeführte Oper «Guillaume Tell» von Gioachino Rossini (1792–1868). In Mailand, Rom, London und Petersburg verlangte damals die Zensur angesichts des als revolutionär empfundenen Stoffes Änderungen bei den Aufführungen, etwa die Abänderung des Titels oder die Verlegung des Schauplatzes nach Schottland. Schiller wie Rossini machten den Stoff europäisch berühmt. Der Enthusiasmus von Fremden war übrigens vorerst bedeutend grösser als die einheimische Beachtung. In der Schweiz spiegelt eine für die Schule verwertete Darstellung von Martin Disteli von 1830, auf der erstmals das Volk als mitbeteiligt aufscheint, erste Formen einer liberalen, «demokratisierten» Version des Rütlibildes.
Sozusagen einen Boom erlebte das Rütli um 1860. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft hatte das Rütligelände 1859 mit Spendengeldern gekauft, um es vor der Überbauung zu schützen, 1860 dann als «Nationaleigentum» der Eidgenossenschaft übergeben. Das meiste Geld stammte aus dem Kanton Luzern. Von der Luzerner Offiziersgesellschaft aus ging auch der Anstoss zum Rütlischiessen, eine seit 1862 aufrechterhaltene Tradition. 1865 wollte übrigens Ludwig II. von Bayern, der Erbauer von Neuschwanstein, begeistert vom Schillerschen Drama, das Rütli kaufen und sich als Herr Wittelsbach in Uri einbürgern lassen.
Nach 1891, der ersten Bundesfeier, bekam der Rütlischwur einen starken Akzent von nationalem Gründungsakt, ausgeprägt als geschichtliche Legitimierung des liberalen Verfassungsstaats. Symbolisch dafür stehen die drei steinernen Bundesgründer, die 24 Tonnen schwer seit 1914 die Eingangshalle im Berner Bundeshaus schmücken. Das Rütli-Motiv wurde nun in vielfacher Hinsicht wie die Tellengeschichte zum Kulturgenerator in einer sehr vielfältigen populären Geschichtskultur, etwa in den weit verbreiteten Rütli-Postkarten. Nach 1880 begannen nicht zuletzt touristische Interessen eine grössere Rolle zu spielen.
Rütligeschehen und Rütligeist
Die Rütli-Verehrung ist letztlich ein Lehrstück für den Gebrauch von Geschichte. Die zeitgebundenen Überlagerungen bis hin zur Sicht als Staatsgründungsakt sind ein hochinteressantes mentalitätsgeschichtliches Phänomen. Mit dem Rütli verbundene politische Wertvorstellungen und Grundideen spiegeln einen vielfach beschworenen, den jeweiligen Zeitumständen anpassungsfähigen «Rütligeist» von Vaterlandsliebe, republikanischer Einfachheit, Freiheitsbedürfnis, solidarischer und freiwilliger Gemeinschaft freier und gleicher Bürger usw. In dieser Form sind die Vorstellungen über das Rütli von grösserer Wirkung gewesen als ein allfälliges historisches Geschehen selbst. Dabei ist übrigens festzustellen, dass in der politischen Vorstellungswelt zumindest der städtischen Eliten vor 1750 der «Verschwörung» auf dem Rütli eine viel geringere «staatsschöpfende» Rolle zukam als nachher – aus leicht nachvollziehbarem Grund, konnte doch die Berufung auf solche Ursprünge das Regime der eidgenössischen Oberschichten ernsthaft bedrohen, wie etwa im grossen Bauernkrieg von 1653.
Unweigerlich taucht immer wieder die Frage nach den historischen Grundlagen, nach der Historizität, auf. Die Entstehungsgeschichte der Rütlivorstellungen ist weitgehend geklärt. Anfänglich wird das Rütligeschehen als blosser Begleitumstand innerhalb der sogenannten Befreiungstradition aufgeführt. Die Elemente dieser Befreiungstradition, also Untaten der Vögte, Verschwörung, Tellentat, Burgenbruch und Volksaufstand, fügten sich im ausgehenden 15. Jahrhundert zu einer Bildergeschichte über die Anfänge zusammen, haben aber mit den tatsächlichen Ereignissen um 1300 sehr wenig bis gar nichts zu tun. Die Befreiungstradition diente nach 1470 als literarisch-juristische Erzählung zur Rechtfertigung staatlicher Sonderexistenz der Eidgenossenschaft zu dieser Zeit, nicht der historisch getreuen Schilderung weiter zurückliegender historischer Gegebenheiten.
Erstmals will der Eintrag im Weissen Buch – ein Obwaldner Kanzleihandbuch mit einem chronikalischen Teil von ca. 1474 – wissen, dass sich die Verschwörer, welche die Befreiung von der Tyrannei der bösen Vögte vorbereiteten, auf dem «Rudli» versammelt hätten. Vom Weissen Buch kam die Vorstellung via Aegidius Tschudi (1505–1572) zum Geschichtsschreiber Johannes von Müller (1752–1809) und von dort zu Friedrich Schiller und in die populäre Geschichtskultur. Konnte das Rütli noch 1713 einen Ort der trotzig-separatistischen Einkehr der innerschweizerischen Verlierer aus dem Zweiten Villmerger Krieg hergeben, so wurde nun daraus mehr und mehr ein gesamtschweizerischer Erinnerungsort.
Auf diesem Weg reicherte sich das Rütligeschehen um wichtige Details und Zusätze an: Die namentliche, als historisch verstandene Identifikation der Drei Eidgenossen kam schon bei Tschudi hinzu. Gleichzeitig verfestigte sich die örtliche Fixierung des «rüdlin» (so Tschudi) auf das heutige Rütli. Die Beteiligung von Tell an der Verschwörung wurde erst später dazugesetzt. Definitiv von der Verschwörung zur Beschwörung wurde die Episode durch die Verknüpfung mit dem Bundesbrief von 1291. Das findet sich erst nach 1760 – vorher war ja der 1291er-Brief gar nicht bekannt, und noch Schiller erdichtete bekanntlich einen inhaltlich ganz anderen Schwur. Nach 1891 und manchenorts bis heute ist es sogar zur vorherrschenden Vorstellung geworden, auf dem Rütli sei der Bundesbrief von 1291 feierlich beschworen worden. Das rückte anders als vorher das Rütli-Geschehen sozusagen ins Zentrum der «Staatsgründung» im – imaginierten – innerschweizerischen «Kern». Die Vorstellung ist aber mit Sicherheit historisch falsch; schon der Inhalt des Bundesbriefs eignet sich nicht zur Verschwörung, bestätigt er doch explizit die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, und auch von der Stellung des Mediums Schrift in dieser Zeit her gesehen ist ein solcher Vorgang gänzlich unwahrscheinlich.
Eine adelsfeindliche Verschwörung von drei «Volksvertretern» auf dem Rütli um 1300 bleibt Legende. Der negative Befund zur möglichen Historizität des Rütligeschehens ist allerdings kein Grund zur Beunruhigung. Die historische Wirkung der Rütli-Vorstellung liegt auf einer anderen Ebene, sie ist auf andere Weise «historisch», eben als Vorstellung, als jeweils kontextbezogenes Bild. So konnte mit dem Rütli ein Aufhänger für alles Mögliche gefunden werden, wie die Rütlireden auch noch in neuester Zeit zeigen. Für oder gegen Europa, gegen Linke, für Friede und Gerechtigkeit, gegen die Benachteiligung von Frauen, für Ruhe und Ordnung, gegen Gewalt, für eine starke Armee, gegen Egoismus, für Selbstverantwortung, gegen den Zerfall der Familie, für Demokratie und Bürgerfreiheit, um 1830 für die Griechen und noch um 1900 gegen die Türken – es ist fast alles möglich, sogar skurrile Phantasien wie etwa die Rückführung auf die Inspiration durch einen keltischen Kraftort. Die Bekenntnisse zur Gemeinschaft im Sinne des «Rütligeistes» waren als emotionaler Appell auch durch ihre ausgeprägte religiöse Konnotation (der «heilige Grund», die «Wallfahrt», der «Bundesschwur») sehr wirkungsvoll. Politische Instrumentalisierungen betreffen selbstverständlich nicht nur das Rütli und sind bei nationaler Erinnerungspolitik nicht etwa nur ein schweizerisches Phänomen. Gerade am Beispiel Rütli wird aber deutlich, wie sehr die Verwendung nationaler Symbole auch auf nationalkonservativer Seite von tagespolitischer Logik bestimmt wird.
Ob mit dem Rütli auch heute noch eine Botschaft verbunden werden kann, die alle Schweizerinnen und Schweizer anspricht, steht offen. Bedeutungen und Veränderungen des Rütlibildes bleiben aber ein historisch ganz wichtiges Stück schweizerischer Mentalitäts- und Kulturgeschichte. Rütlivorstellungen und Rütliemotionen sind von eminenter Bedeutung gewesen für den staatlichen Wandel und die nationale Identitätsfindung der Schweiz nach 1848. Mindestens zeigen sich darin wichtige Leitvorstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts, und die Kenntnis der Rütlibilder bleibt für das Verständnis schweizerischer politischer Kultur auch noch in der Gegenwart wichtig.
Literatur:
– Kreis Georg, Mythos Rütli. Geschichte eines Erinnerungsortes. Mit zwei Beiträgen von Josef Wiget, Zürich 2004 (mit reichem Bildmaterial).
– Marchal Guy P., Geschichte im Gebrauch. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identität, Basel 2006.
Das Rütli, von Prof. Dr. Georg Kreis, Universität Basel
(Dieser Text erscheint zusammen mit 26 anderen Artikeln in: Georg Kreis, Schweizer Erinnerungsorte. Aus dem Speicher der Swissness. Zürich NZZ Libro Februar 2010.)
Das Rütli ist der bekannteste Erinnerungsort, und es erfüllt am idealsten die Kriterien eines Erinnerungsorts. Zunächst ist das Rütli ein geografischer Ort mit genauen Koordinaten: 46° 58′ 8″ N/ 8° 35′ 34″ O. Dann ist es ein Ort, der an einen zentralen und einfach auf den Punkt zu bringenden Vorgang erinnert, nämlich an die vermeintliche Gründung der Eidgenossenschaft um 1300. Dieser Erinnerungsinhalt hat sich jedoch derart verwesentlicht, dass nicht mehr die Entstehung der Schweiz, sondern schlicht die Schweiz oder das Schweizerische hier zum Inhalt geworden ist. Schliesslich ist das Rütli ein Ort, der wegen dieses Erinnerns allgemeiner genutzt wird und wegen dieser – zum Teil auch kontroversen – Nutzung in jüngerer Zeit laufend an Bedeutung gewonnen hat.
Das doch recht grosse, insgesamt 62’230 Quadratmeter umfassende Rütli, der im Zentrum des Landes liegende und im Zentrum des Trachtens ruhende Ort, hat seinerseits wiederum ein Zentrum: die Stelle, wo die drei Eidgenossen geschworen haben und wo im Moment des Schwurs drei Quellen aus dem Boden getreten sein sollen. Diese Quellen wurden mehrfach umgestaltet und sind heute kaum bekannt und darum entsprechend wenig beachtet.1
Das Rütli ist noch in einer anderen Hinsicht ein doppelter Ort: zum einen ein Ort, an den man sich auf Grund individueller Besuche erinnert, und zum anderen ein Ort in der Medienlandschaft, in der eine öffentliche Diskussion über die richtige Nutzung des Rütli geführt wird. Das Rütli ist einerseits der Ort einer persönlichen Erfahrung und anderseits eine nationale Bühne, die den dort bekundeten Manifestationen eine gewisse Beachtung verleiht. Manche Manifestation würde weit weniger beachtet, wenn sie an einem anderen Ort in der Schweiz stattfindet oder stattfände. Das zeigt sich ganz deutlich an den Auftritten der Rechtsradikalen. Auf dem Rütli haben sie die grösste Aufmerksamkeit. Wenn sie sich an anderen Orten versammeln, ist kaum von ihnen die Rede, selbst wenn die alternativen Treffpunkte wie das Schlachtfeld von Sempach ebenfalls prominente Orte sind.2
Wie alt ist eigentlich das Rütli?
Die Frage nach dem Alter kann man als wichtig oder als unwichtig, und wenn wichtig, aus verschiedenen Gründen als wichtig auffassen. Unwichtig ist sie dann, wenn man davon ausgeht, dass es das Rütli einfach schon immer gegeben hat, jedenfalls seit es die Schweiz gibt. Und unwichtig ist die Frage auch dann, wenn sie im Wissen des in den Schulen gelernten Datums von 1291 doch einfach und klar beantwortbar erscheint. Demnach würden nun diese Zeilen im 708. Jahr geschrieben, da das Rütli als eidgenössische Gründungsmatte ins Leben der Nation eingetreten ist. Das Rütli-Datum wird mitunter auch für die helvetische Zeitrechnung verwendet. Ein 1970 erschienenes Buch über den „Störfall Heimat“ sprach im Untertitel vom schweizerischen Selbstverständnis im Jahre 699 nach Rütli“3, und ein schon viel früher herausgekommenes Buch kam mit dem Titel „Anno 709 p.R.“ daher.4
Die Matte gab es freilich schon vorher, ihr keinewegs einzigartiger Name (man denke nur an die vielen Rüti und an die Varianten Grüt und Greut) erinnert an den Rodungscharakter des Orts. Zudem ist ja denkbar, dass dieser Ort, an dem zu bestimmten Jahreszeiten bestimmte Sonnenstrahlen hinter bestimmten Bergspitzen hervortreten und ihr heiliges Licht herabwerfen, schon viele hundert Jahre vor 1291, wie Astroarchäologen behaupten, ein urzeitlicher Kultort gewesen ist.5
Es muss hier sachte darauf aufmerksam gemacht werden, dass der mit dem Jahr 1291 datierte Bundesbrief weder eine Urkunde zur schweizerischen Staatsgründung gewesen noch auf dem Rütli ausgestellt worden ist. Im Rütli konnte man wegen seiner Abgelegenheit einen idealen Treffpunkt für verschwörerische Machenschaften erblicken. Das von den drei Orten Uri, Schwyz und Unterwalden besiegelte Pergament war aber kein konspiratives Produkt. Darum käme als Ort der Ausfertigung, wie im Falle des Vertrags von 1315, eher Brunnen oder Schwyz in Frage.6
Das wollen aber die meisten gar nicht so genau wissen. Brief und Schwur und Tell sind, wie auf Gesamtdarstellungen gewisser Postkarten, ein und dasselbe. In der längeren Geschichte der Gründungsvorstellungen standen Rütli und Bundesbrief mindestens in den Jahren 1891–1907 in heftiger Konkurrenz.7 Bevor 1891 der Bundesbrief plötzlich zur verfassungsähnlichen Bundes-Charta gemacht und damit der 1. August 1291 zum Geburtsmoment wurde, hatte während langer Zeit das vom Humanisten Aegidius Tschudi ausgerechnete Datum von 1307/08 gegolten, weil dieser Vorstellung nach – ohne jeglichen Brief – nach Vorberatungen auf dem Rütli (angeblich am 8. November 1307) – in der Neujahrsnacht auf den 1. Januar 1308 die landesweite Revolte zur Befreiung der Eidgenossen geführt habe.
Im 15./16. Jh. war das Rütli wesentlich wichtiger als imaginierter, denn als real aufgesuchter Ort. Wer hätte schon damals einen zwangsläufig mehrtägigen „Ausflug“ aufs Rütli unternehmen wollen? Das Imaginierte stützte sich auf Darstellungen auf Wandmalereien, Glasscheiben, Ofenkacheln, Zierpokalen. Der Reformpatriotismus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bezog sich ebenfalls gerne auf den mythischen Gründungsort. Dieser war ein symbolischer und abstrakter Ort, irgendwo angesiedelt, aber kaum in einer realen und konkreten Landschaft. In die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt das Aufkommen des um 1820 im Ausland entstandenen Rütlilieds von J.G. Krauer und F.J. Greith, eines romantischen Hymnus auf einen halb realen, halb idealen Ort.8 Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die landschaftlichen Darstellungen des Erinnerungsorts wichtig und nahmen diese individuelle, in ihrer Einmaligkeit wiedererkennbare Züge an, bis hin zum Frontbild des Nationalratssaal von Charles Giron, das auch in den Fernsehübertragungen der Ratsverhandlungen präsent ist, freilich zumeist ohne als solches wahrgenommen zu werden.
Wenn wir vom Moment absehen, da auf der Wiese das „historische“ Geburtsereignis stattgefunden haben soll, sind nach den langen Jahrhunderten der Alten Eidgenossenschaft im Leben der Rütlinutzung zwei moderne Geburtsmomente auszumachen: erstens der Moment, da das Drama von Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ wichtig wird, und zweitens der Moment, da das Rütli in den Besitz des Schweizer Volkes übergeht. Die Formulierungen zeigen, dass diese Geburtsmomente nicht mit einem eindeutigen Datum versehen werden können und darum die Geburtsmetapher eigentlich falsch ist.
Zu Schiller haben wir zwar ein Geburtsjahr, die Uraufführung von 1804, der Geburtsort ist aber nicht die Innerschweiz, sondern das ferne Weimar. Zudem wissen wir, dass der Stoff bereits vorher gleichsam in der Luft lag, schon Lessing war der Meinung, dass man daraus etwas machen sollte. Zudem hat dann das Vorliegen des „Wilhelm Tell“ nicht dazu geführt, dass dieses Stück in der Schweiz sogleich breit aufgenommen wurde, die Rezeption dauerte noch Jahrzehnte. Man könnte sogar den Standpunkt vertreten, dass der Geburtsmoment in dieser Variante – angeregt durch analoge Feiern in Deutschland und durch den zweiten, nachfolgend beschriebenen Geburtsmoment – erst zum 100. Geburtstag des deutschen Dichters stattgefunden hat, als die Urkantone im November 1859 beschlossen, dem Autor des Dramas ein Denkmal zu widmen, den dann 1860 eingeweihten „Schillerstein“.
Der zweite belebende Impuls kam ebenfalls gegen Ende der 1850er Jahre, aber nicht aus Deutschland, sondern aus Zürich vom protestantischen Geistlichen Friedrich Haefelin im Schosse der sehr zürcherischen und sehr protestantischen Schweizerischen Gemeinnützungen Gesellschaft (SGG). Die Initiative führte zum Kauf der angeblich von einem Tourismusprojekt bedrohten Rütliwiese durch eine im März 1859 lancierte gesamtschweizerische Sammelaktion.9 Die Gesellschaft schenkte das Objekt dem Bundesrat als Statthalter der Nation und dieser gab es der Gesellschaft, beziehungsweise ihrer Rütlikommission als Statthalterin der Landesregierung, wiederum zur treuhänderischen Verwaltung zurück. Besonders wichtig an dieser Aktion ist, dass damit das Rütli ideell in die Herzen der in die Sammlung einbezognen Jugend eingeschrieben wurde. Zum Dank für die Teilnahme an der Sammelaktion erhielten alle Schülerinnen und Schüler einen in einer Auflage von 250’000 Exemplaren produzierten Stahlstich mit einer romantischen Abbildung des Rütli.10 Damit, kann man sagen, war das Rütli, vormals eher für die Oberschicht von Bedeutung, nun fest ins breite Bewusstsein des ganzen Schweizervolks implementiert. Dieser nationale Bezugspunkt, der bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts in Einzelreisen von wohlhabenden Angehörigen aufgesucht worden war, wurde in der Folge zu einer festen Destination von Schulreisen aus der ganzen Schweiz. In einer 2001 durchgeführten Umfrage gab etwa ein Drittel an, mit der Schule auf dem Rütli gewesen zu sein.11
Auf die beiden zusätzlichen Geburtsmoment kam ein speziell wichtiger Nutzungsmoment: Als sich die Schweiz im Sommer 1940 nach Frankreichs Kapitulation für einen Moment in einer grossen Orientierungskrise befand, versammelte General Henri Guisan sein Offizierskader zum so genannten Rütli-Rapport. An diesem historischen Vorgang kann man die sich wechselseitig belebenden und stützende Wirkung ersehen, die von der mythischen Qualität des Orts auf die dort abgehaltenen Veranstaltungen ausgeht und – umgekehrt – von der Nutzung des Orts wiederum auf den genutzten Ort zurückgeht.
Das bestätigte sich in den verschiedenen Veranstaltungen zum Gedenken des Rapports beziehungsweise zur Erinnerung an diesen: 1960 mit Bundesrat Paul Chaudet, 1980 mit Bundespräsident Georges-André Chevallaz, 1989 (im Rahmen des Gedenkens an die Generalmobilmachung von 1939) mit Bundespräsident Jean-Pascal Delamuraz und zwei weiteren Mitgliedern des Landesregierung, 100 Mitgliedern der Eidg. Räte und vielen Militärs. Es war mehr als ein Zufall, dass alle diese Magistraten aus der französischen Schweiz kamen, die zur „Rütli“-Zeit noch gar nicht zur Schweiz gehörte, wo aber der Patriotismus wie im Tessin sogar einen höheren Stellenwert hat als in der deutschen Schweiz.
Mit dem letzten Anlass verrutschte das Gedenkmuster: Wie 1990 nichts Grösseres stattfand, gab es auch im Jahr 2000 keine gewichtige Veranstaltung, hingegen gab es 1999 mit rund 1000 Teilnehmenden eine Protestmanifestation im Kontext der Kontroversen um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Das Überspringen der Gedenkgelegenheit von 1990 erklärt sich auch dadurch, dass für 1991 im Rahmen der 700 Jahr-Feier schon wieder eine Grossveranstaltung über die Rütlibühne ging.12 Im Sommer 2005 sodann war der 65. Jahrestag (ein nicht gerade sich aufdrängendes Jubiläum) für Bundesrat Christoph Blocher Anlass, um aufs Rütli zu gehen und dort vor über 1000 Zuhörern eine Rede für Freiheit und Neutralität steigen zu lassen.13 Zwei Jahre später war aber hielt er es für völlig daneben, dass seine Kollegin Calmy-Rey (wiederum eine Romande) das Rütli für ihre Zwecke nutzte (vgl. unten).
Wem gehört das Rütli?
Ein öffentlicher Erinnerungsort gehört grundsätzlich allen. Man könnte darin ein weiteres Idealmoment sehen, dass ein solcher Ort für Nutzer verschiedenster Kategorien bedeutsam ist. Dieser allgemeinen Bedeutsamkeit entsprechen auch die bereits angedeuteten Besitzverhältnisse: Eigentümer ist das Schweizervolk. Die Frage, in welchem Kanton das Rütli liegt, wird manchmal in Einbürgerungsexamen gestellt.14 Das Terrain liegt auf Urner Territorium, dies mit verschiedenen Konsequenzen, von denen später noch die Rede sein wird. Die Urner sind selbstverständlich stolz auf „ihr“ Rütli, wie die Schwyzer stolz sind auf „ihren“ Bundesbrief, beziehungsweise ihr Exemplar des Briefs, der sicher in drei Exemplaren (für jeden Partner eines) ausgestellt worden war.
Da der Schwyzer Brief der einzig übriggebliebene ist, mutierte er zum Schweizer Bundesbrief. Und die Schwyzer hatten auch nichts gegen diese „Aufwertung“, solange sie Eigentümer blieben. 1936 wurde das mit Unterstützung der Eidgenossenschaft errichtete Bundesbriefarchiv (heute Bundsbriefmuseum) eingeweiht, das einerseits sehr funktional ein Kantonsarchiv war, anderseits im ersten Stock, wie Kantonsarchivar Josef Wiget bemerkte, eine „sakral anmutenden Ehrenhalle“ barg, in der neben anderen Dokumenten eben den Bundesbrief aufbewahrt und ausstellt war.15
Das Dokument wurde im 2006 in seiner über 700jährigen Geschichte erstmals für drei Wochen ausser Landes gebracht und im amerikanischen Museum für Verfassungsgeschichte, dem National Constitution Center in Philadelphia, in der Ausstellung „Sister Republics“ als Prunkstück gezeigt. Während dieser kurzen Aktion sahen mehr Menschen das alte Dokument als während eines ganzen Jahres in der Schweiz.16 Die PR-Aktion und der damit ausgelöste Medienrummel gaben dem leicht vergessenen Bundesbrief auch in der Schweiz vorübergehend wieder vermehrte Aufmerksamkeit (rief ihn in Erinnerung).
Eine Gruppe von Superpatrioten glaubte indessen mit einer Sammlung und einer Stiftung das Pergament aufkaufen zu können, um so vor weiteren Reisen ins gefährliche Ausland zu schützen. Schwyz liess aber ausrichten, dass der Brief ihm gehöre und nicht zum Verkauf stünde. Innerhalb von Schwyz vertraten die nationalkonservativen Schutzpatrone eine bemerkenswert widersprüchliche Haltung: Einerseits wollten sie der Regierung die Kompetenz für die Bewilligung einer solchen Auslandreise absprechen, weil der Brief dem Schwyzer Volk gehöre, anderseits fanden sie, dass man zum besseren Schutz den Brief durchaus privatisieren und der vorgesehenen Stiftung abtreten könne.17
Zurück aufs Rütli: Dort treffen sich Menschen verschiedenster Art, Junge und Alte, Einheimisch und Touristen, Zivilisten und Militär, private Freizeitler und Betriebsausflügler, jährlichen rund 70’000 Besucher, alle nur tagsüber, denn das Übernachten auf der Wiese ist verboten.18 Der Ort weist eine sonderbaren Doppelcharakter auf: einerseits ist er Zentrum, anderseits ist er abgelegen, und weil er abgelegen ist, ist er einerseits schwer zugänglich (beinahe nur über den See), und anderseits wird er gerade deswegen massenweise besucht. Das Rütli ist mitunter auch bei Staatsbesuchen ein Etappenort: 1980 war die britischen Queen für 45 Minuten auf dem Rütli, 2001 wünschte der tschechische Staatspräsident Vaclaw Havel, das Rütli zu besuchen. 1991 war übrigens auch Alexander Dubcek, der Held des Prager Frühlings von 1968 und Symbol der Freiheit, still und bescheiden auf dem Rütli in Mitten der vielen Jubiläumsgäste.
Kein Zweifel: Das Rütli wurde lange Zeit vorwiegend von der politischen Rechten als nationaler Symbolort gewürdigt. Die politische Linke kam erst in jüngeren Jahren ebenfalls auf den Geschmack und nutzte zum Beispiel den mythischen Erinnerungsort im Wahlkampf von 2003.19 Die Bestrebungen, das Rütli der konservativen Männerwelt und den nationalistischen Kräften zu entreissen, kulminierten vor dem 1. August 2007 in der von Alliance F, dem Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, veranstalteten Nationalfeier, an der Micheline Calmy-Rey (SP) begleitet von Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi (FDP und Aargauertracht) und eingeführt von der SGG-Präsidentin Judith Stamm (CVP) auftrat.20 Bemerkenswert an dieser gegen grosse Widerstände durchgeführten, aber oder gerade deswegen mit einem Besucherinnenrekord von über 2000 Teilnehmenden unterstützten Veranstaltung war, dass die engagierten Frauen den Auftritt in der Vitrine der Nation weniger für die Propagierung eng definierter „Frauenanliegen“ nutzten, sondern an breiter Front für eine aufklärerische, liberale und menschenfreundliche Politik eintraten. Gegen den Schluss der Veranstaltung explodierte ein in der Wiese vergrabner Sprengkörper, glücklicherweise kam aber niemand zu Schaden.21 Selbstverständlich ging dies alles nicht ohne eine intensive Mediendebatte. Und diese verlieh ebenso selbstverständlich dem Erinnerungsort Rütli zusätzliche Ausstrahlungskraft. Ein Hauptstreitpunkt war, wer für die hohen Sicherheitskosten aufkommen müsse.22
Sowohl die Feier als auch die Diskussion müssen vor dem Hintergrund der Entwicklung der vorangegangenen Jahre gesehen werden. Aufgeschreckt wurde die Nation am 1. August 2000 durch das, was, von der Boulevardpresse geprägt, als „Die Schande vom Rütli“ in die Annalen eingegangen ist. Damals wurde die 1. August-Rede von Bundesrat Kaspar Villiger von Rechtsradikalen massiv und vorsätzlich gestört.23 Vorsätzlich darum, weil die Störungen nicht etwa „demokratische“ Missfallenskundgebungen zu Gesagtem waren, sondern das Pfeifkonzert bereits beim Gang zum Rednerpult einsetzte. Villiger war zwar Bundsrat (FDP und Finanzminister), eigentlich wurde er aber als Luzerner eingeladen gemäss der Gepflogenheit beinahe im Turnus Vertreter von Anrainerkantonen des Vierwaldstättersees auftreten zu lassen. Ausserordentlich war in diesem Fall doch die Prominenz des Redners. Normalerweise kamen wenig bekannte Lokalpolitiker zum Zug. Durch das Aufgebot bekannterer Redner sollte das Rütli aus der Vergessenheit geholt – revitalisiert – werden.
Auch in den folgenden Jahren wird die Rütliwiese zum Aufmarschgebiet der Rechtsradikalen. Diese konnten hier der Aufmerksamkeit der Medien sicher sein. Im 2001 war zwar „Ruhe“, die Medien berichteten aber weit ausführlicher über die Zahl und Ausstattung dieser unheimlichen Patrioten als über die Ausführungen des Urner Festredners Franz Steinegger (ehm. Präsident der FDP-Schweiz).24 2005 störten die Rechtsradikalen, deren Teilnehmerschaft auf 700 angewachsen war, vor einer doppelt so grossen und recht hilflosen Zuhörerschaft die Rede des Bundespräsidenten Samuel Schmid.25
Die Störefriede und insbesondere ihre indirekten Anhänger im rechten Lager rechtfertigten die Störungen damit, dass die Rede eben „provozierende Aussagen“ enthalten habe. Dies wurde in noch stärkerem Mass empfunden, als 2006 der ehemalige Swisscom-Präsident Markus Rauh den Auftritt nutzte, um Abstimmungspropaganda gegen das Ausländer- und Asylgesetz zu machen, das wenig später von einer Mehrheit der Stimmbürger von beinahe 70 Prozent angenommen wurde. Dies wurde als besonders stossend empfunden, weil gemäss geltender Benutzungsordnung und Praxis parteipolitische Manifestationen auf dem Rütli verboten sind.26
Dazwischen kam es zu einer harmlosen, aber – offen gesagt – etwas fragwürdigen Veranstaltung: Das 200-Jahr-Jubiläum der Uraufführung von Schillers „Wilhelm Tell“ wurde 2004 zum Anlass genommen, um mit dem um eine Tanzgruppe erweiterten Ensemble der Weimarer Bühne einen Sommer lang eine adaptierte und von Christoph Blocher zu einem grossen Teil mitfinanzierten Freilichtaufführung des Gründungsdramas zu geben.27 Die nicht überzeugende Grundidee ging davon aus, dass der Ortsgeist des Rütli, der Genius loci, dem Verständnis des Stücks helfen würde, dessen Autor bekanntlich nie in der Schweiz war.28 Blocher machte daraus aber eine Botschaft für seine 1. August-Rede im Zürcher Goldküsten-Ort Herrliberg: Er sei vergangene Woche aufs Rütli gefahren und habe sich dort die Neuinszenierung unter freiem Himmel angeschaut. Tief beeindruckt habe er den Ort wieder verlassen und sich gedacht: „Tells Geschichte ist unvergänglich.“29
In der Kontroverse vom Sommer 2007 um die Frage, ob es der Bundespräsidentin Calmy-Rey ermöglicht werden sollte, auf dem Rütli zu reden, kam selbstverständlich auch SVP-Präsident Ueli Maurer (Seit 2009 Bundesrat!) zu Wort und selbstverständlich nutzte er den Moment, um etwas Provokatives zu sagen, das gemäss der automatisch funktionierenden Medienlogik für einen Moment ihn ins Zentrum der Debatte rückte. Nun geht er deswegen sogar in diese Chronik ein. Der vormaliger Bauer und nachmaliger Bundesrat erklärte: «Das Rütli ist nur eine Wiese mit Kuhdreck.»30 Das mit dem Kuhdreck stimmt, der Rütli-Pächter hält Kühe auf dieser Wiese.31 Das mit dem „nur“ ist dagegen (willentlich) grundfalsch. Auf der Rütliwiese hat es wie auf allen anderen Kuhweiden solchen Dreck, aber nicht jede Kuhweide hat den Symbolgehalt des Rütli.
Um der problematischen Teilnahme von Rechtsradikalen entgegenzuwirken, führte die SGG im 2007 eine Ticketsystem ein, das eine individuelle Anmeldung (und Kontrolle) zur Voraussetzung hatte. In den Medien wurde dieses System aus zwei Gründen kritisiert: Zum einen störte, dass es für das Betreten der nationalen Wiese überhaupt so etwas wie Eintrittskarten brachte, und zum anderen störte, dass eine einzelne Person, der SGG-Geschäftsführer Herbert Ammann, alleine über Zulassung und Nichtzulassung entschied. Im weiteren wurde beanstandet, dass ab 2008 nicht mehr die traditionelle, aus Zentralschweizern zusammengesetzte Rütlikommission über das Programm und insbesondere die Wahl des Festredners entschied, sondern „Juristen aus dem Mitteland“.32
Nach der erfolgreichen Nutzung des Rütli durch Calmy-Rey regten sich im Urnerland Stimmen, welche der Meinung zum Durchbruch verhelfen wollten, dass das Rütli eigentlich den Urnern gehöre und diese darum das Recht hätten, weitere Veranstaltungen dieser Art zu untersagen. 2008 war zwar wieder einer der Ihren (FDP-Regierungsrat Josef Dittli) zum Zug gekommen. SVP-nahe Kräfte hatten jedoch eine Initiative mit symbolträchtigen 1291 Unterschriften eingereicht, welche die 1. August-Feiern und insbesondere Ansprachen von ausserkantonalen Rednern verbieten wollte (nötig wären 600 Unterschriften gewesen).33 Der Vorstosse wurde aber vom kantonalen Parlament im Februar 2009 mit 41:17 Stimmen für ungültig erklärt und darum nicht der Volksabstimmung unterbreitet. Ein Gutachten der Universität Bern hatte festgestellt, dass die Initiative gegen die Eigentumsgarantie und die Versammlungsfreiheit und damit gegen höherrangiges Recht verstosse.34
Jahr für Jahr wird man wissen wollen, wie inmitten der anderen rund 2500 1. August-Feiern des Landes auf dem Rütli weiterhin gefeiert wird und – was beinahe noch mehr interessiert – ob es nicht wegen der Rechtsradikalen Radau gegeben hat. Auch im 2008 schenkten die Medien im Vorfeld der Rütlifeier der Sicherheitsfrage wiederum grosse Beachtung. Auf dem Rütli blieb es am 1. August 2008 (der ein Freitag war) bei strömendem Regen ziemlich ruhig.35 Am Montag erfuhr man dann, dass sich die Rechtsextremen am Sonntag, 3. August, auf dem Rütli versammelt hatten, dass es 300 gewesen seien, dass sie von der Polizei beobachtet worden seien, diese aber nicht eingeschritten sei.
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Fussnoten:
[1] Georg Kreis, 1291 oder 1307 oder: Das Datum als Quelle. Zum Streit über das richtige Gründungsdatum. In: Die Erfindung des Tells. Der Geschichtsfreund 160. Band, 2007, Zug, S. 53-66.
[2] Die Rechtsradikalen waren schon früher in Sempach und sind es seit ihrer Vertreibung vom Rütli wieder in höherem Mass. Zum Auftritt von Rechtsradikalen beim Löwendenkmal von 1992 (200 Jahre nach dem Tuileriensturm) vgl. Georg Kreis, Zeitzeichen für die Ewigkeit. 300 Jahre schweizerische Denkmaltopografie. Zürich 2008. S. 31.
[3] Claus D. Eck u.a., Störfall Heimat – Störfall Schweiz. Zürich 1990.
[4] NHG-Schlussbericht der Prospektivkonferenz, Aarau 1973.
[5] Jean-Pierre Vouga, Les Helvètes au Grütli. Lausanne 1988. Zur weiteren Entwicklung vgl. Georg Kreis, Mythos Rütli. Geschichte eines Erinnerungsortes. Zürich 2004. 271 S. 72 Abb.
[6] Zur zeitgenössischen Bedeutung des Dokuments von 1291 vgl. Roger Sablonier, Gründungszeit ohne Eidgenossen. Politik und Gesellschaft in der Innerschweiz um 1300. Baden 2008. 163ff.
[7] Zur Einführung des Nationalfeiertags vom 1. August vgl. Georg Kreis, Der Mythos von 1291. Zur Entstehung des schweizerischen Nationalfeiertages. Basel 1991. S. 95
[8] Kreis, 2004, S. 99ff.
[9] Ebenda, S. 105ff.
[10] Ebenda, S. 239.
[11] Umfrage der Konsumentenzeitung Coop vom dem Nationalfeiertag, 25. Juli 2001. Schon dort gewesen: 51%, mit der Schule dort gewesen: 29%.
[12] Wie schon 1891 und 1941, Kreis, 2004, S. 35ff.
[13] www.swissinfo.ch/ger/archive.html?siteSect=883&sid=5964028&ty=st
[14] Von 16 Nationalratskandidat/innen die bei einem Wettbewerb in die 2. Runde kamen, wiesen 8 das Rütli richtig in den Kanton Uri und 8 gaben eine falsche Antwort: Schwyz (7) und Obwalden (1). Vgl. Basler Zeitung vom 25 . September 2007.
[15] Vgl. Guy P. Marchal, Das Bundesbriefarchiv asl Zeitmaschine. Eine Betrachtung zum historischen Wissen. Und Roger Sablonier, Das neue Bundesbriefmuseum. Beide in: Die Entstehung der Schweiz. Vom Bundesbrief 1291 zur nationalen Geschichtskultur des 20. Jahrhunderts. Schwuy 1999. S. 147-160 u. 161-176.
[16] www.presence.ch/d/500/541a.php
[17] Wortführer Primin Schwander: „Ich darf sagen, dass ich in meiner Tätigkeit als Präsident der SVP Schwyz und der AUNS noch niemals so viele schriftliche und mündliche Reaktionen von erbosten Bürgerinnen und Bürgern erhalten habe wie nach der Mitteilung dieser Ausleihe des Bundesbriefes – nebst eindringlichen Aufforderungen, etwas dagegen zu unternehmen.“ (www.pirmin-schwander.ch/files/Bundesbrief%20Schwander.pdf).
[18] Schilderung eines Normalbesuchs etwa von Margret Müller, Ein Sonntag auf dem Rütli. In: NZZ vom 27./28. Juli 1985 (Beitrag im Vorfeld zum 1. August).
[19] Plakat mit dem Slogan «Unser Patriotismus kennt keine Grenzen». Drei Eidgenossen beim Schwur, unterschiedlich eingekleidet: einer mit dem Schweizerkreuz, einer mit den EU-Sternen und der Dritte mit dem Emblem der Uno.
[20] www.news.ch/Ruetli+Feier+ausverkauft+zwei+Drittel+der+Tickets+fuer+Frauen/282037/detail.htm Dieser 1. Augustfeier war ein Besuch des Rütli mit dem Diplomatischen Korps vorausgegangen, was offenbar dem Vorhaben der Bundspräsidentin Auftrieb verlieh.
[21] Der mutmassliche Attentäter ist noch immer in Untersuchungshaft (Juli 2008)
[22] Die Kosten der überrissenen Sicherheitsmassnahmen zum 1. August 2006 beliefen sich auf 1,25 Mio. Franken, diejenigen vom 1. August 2007 nur noch auf 300’000 Franken und wurden von privater Seite übernommen, vor allem von FDP-Nationalrat Johann Schneider-Ammann.
[23] Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) wurde nach dem erfolgreichen Auftritt vom 1. August 2000 gegründet.
[24] www.antifa.ch/Texte/010802blick.shtml Es ist leichter, für jedes Jahr die Zahl der anonymen Teilnehmer rechtsradikaler Couleur festzustellen als die Namen der Festredner.
[25] Bundesrat Schmid: Das Gedenken ans Ende des 2. Weltkriegs vor 60 Jahren sei für jeden eine Verpflichtung, totalitären und extremistischen Bestrebungen entgegenzutreten. Die Schweiz habe zu keiner Zeit einen Führer gebraucht. Ihr Volk denke und handle selbst. Die Ausländer-Integration nannte er eine grosse Herausforderung. Er rief dazu auf, Brücken zu bauen, und den Arbeitsund den Religionsfrieden zu wahren (www.news.search.ch/inland/2005-08-01/schmid-auf-dem-ruetli-gegen-extremismus).
[26] www.cms.deimos.ch/download/13/filecontainer/downloads/benutzungsordnung_r_tli_homepage.pdf – SVP? Selbst wenn eine politische Partei nur einen Ausflug aufs Rütli machen will, hat sie Probleme (so geschehen am 8.7.2006). Ein Grenzfall war wohl die Durchführung zum Schweizerischen Flüchtlingstag vom 15. Juni 2002, an der u.a. auch der Autor dieses Bandes aufgetreten ist, vgl. Kreis, 2004, S. 191ff.
[27] www.presseportal.ch/de/pm/100006093/100478669/schweizerische_gemeinnuetzige_gesellschaftt – (pressemappe_guenther_uecker.pdf) Der SGG ging es bei diesen Aufführungen auch darum, das Problem der Rechtsradikalen zu entschärfen.
[28] Das Spektakel bot immerhin auch zwei Publikationen eine gute Plattform: Barbara Piatti, Tells Theater. Eine Kulturgeschichte in fünf Akten zu Friedrich Schillers Wilhelm Tell. Basel 2004. Und die Publikation des Autors (vgl. Anm. 2), der nach dreissigjähriger Sammeltätigkeit zum Thema kurzfristig im Hinblick auf diesen Anlass das Buch bei Orell Füssli publizieren konnte.
[29] So wörtlich berichtet in der NZZ vom 2. August 2004 unter dem Titel „Blochers Ode auf Freiheitskämpfer Tell“.
[30] Sonntagsblick, 21. Mai 2007 (www.blick.ch/news/schweiz/artikel63038). Mit einem von der Redaktion eingeholten Kommentar des Verfassers.
[31] Das Rütli-Anwesen, das 2,9 Hektaren Agrarland und 2,8 Hektaren Forst umfasst, wird bewusst als Kleinbetrieb geführt, mit zwei Kühen, zwei Kälbern, zwei Schweinen, einigen Hühnern.
[32] „Zürcher bestimmen Rütli-Redner“, „Herr Ammann sagt, wer aufs Rütli darf“, „Das Rütli gehört allen“, in: Tages-Anzeiger vom 29. Januar, 25. Juni und 2. August 2008.
[33] Die Mitteilung bei der Eingabe lautete auf 1347 Unterschriften, Tages-Anzeiger vom 16. Februar 2008.
[34] www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/initiative_fuer_bundesfeierverbot_auf_ruetli_ungueltig_1.1970179.html
[35] Anwesend waren die Rechtsextremen 2008 wenigstens in Schlagzeilen, etwa: „Während auf dem Rütli das Wetter und nicht Rechtsextreme die Feier trübte“ (Tages-Anzeiger vom 2. August 2008).