Die SGG wurde 1810 in Zürich vom Freundeskreis des Zürcher Stadtarztes Hans Caspar Hirzel (1751-1817) ins Leben gerufen, der namens der Zürcher Hülfsgesellschaft zur Gründung eingeladen hatte. Die Gründung fiel in eine sehr bewegte Zeit. Sieben Jahre zuvor endete der helvetische Einheitsstaat und fünf Jahre vor der Restauration des früheren Staatenbundes der Eidgenossenschaft. In diesem Jahr der politischen Instabilitäten trafen sich die 71 Gründungsmitglieder aus den Kantonen Zürich, St. Gallen, Schaffhausen, Appenzell, Thurgau, Luzern, Zug, Aargau, Basel, Solothurn, Bern, Glarus und Uri. Manche Kantone gründeten rund 10 Jahre später zusätzlich zur SGG unabhängige kantonale und regionale Gemeinnützige Gesellschaften. Diese nahmen auch Frauen auf. Diese gründeten 1888 gemeinsam den Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenverein.
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Die SGG verstand sich als Erbin der Helvetischen Gesellschaft und verfolgte aufklärerisch-patriotische Ziele. Vorbild war die 1777 gegründete Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel. Die SGG stellte die Gemeinwohlorientierung ins Zentrum und konzentrierte sich in den ersten Jahrzehnten besonders auf die Armutsbekämpfung sowie die Förderung von Bildung, Erziehung und wirtschaftlichem Fortschritt. Dabei profilierte sich die SGG, deren liberal gesinnte Angehörigen sowohl reformierter wie katholischer Herkunft waren, als reformorientiertes Diskussionsforum der politischen, wirtschaftlichen und geistlich-seelsorgerischen Eliten und wirkte dadurch national integrierend und staatstragend. Ab 1823 diskutierte die SGG an ihren Jahresversammlungen auf Basis empirischer Vorarbeiten ihrer Mitglieder über konkrete Fragestellungen. An der Jahresversammlung 1823 wurde von Johann Caspar Zellweger der Antrag eingebracht, die Armut mit Bildung zu bekämpfen, wobei auch Wissen, Moral und Sittlichkeit gefördert werden sollten. Die rege Schul-Debatte in der SGG ebnete den Weg für die liberale Schulreform, die sich ab den 1830er Jahren in der ganzen Schweiz durchsetzte. 1835 wurde von der SGG eine Kommission für Armenerziehung eingesetzt, die sich der Ausbildung von sogenannten Armenlehrern widmete. Mitte der 1850er Jahre konnte der SGG dank dem ersten grossen Legat das erste Schwyzer Lehrerseminar errichten lassen.
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Ab 1828 hielt die SGG ihre Jahresversammlungen an verschiedenen Orten in der Schweiz ab, um Beziehungen und Bindungen zu stärken und dennationalen Zusammenhalt zur fördern.
In den unruhigen 1840er Jahren förderte die SGG die friedliche Gesinnung und die Humanität, sie war ein Ort, an dem die politischen Gegner den Dialog ins Zentrum ihrer Bemühungen stellten. Referate und Diskussionsvoten wurden in den „Verhandlungen der SGG“ bzw. ab 1862 in der „Schweiz. Zeitschrift für Gemeinnützigkeit“ publiziert und stellen ein wichtiges Archiv der sozialpolitischen Diskussion dar. Anfänglich überliess die SGG die praktische Umsetzung ihrer Reflexionen lokalen Akteuren, nach 1830 gewann die eigene praktische Tätigkeit an Gewicht. Erstmals trat die SGG 1834 mit der Koordination der Geldsammlung für die Geschädigten der grossen Überschwemmungen im Alpenraum öffentlich hervor. Später folgten zahlreiche weitere nationale Sammerlaktionen. Die SGG war sozusagen die „Glückskette des 19. Jahrhunderts“. Noch heute steht in den Statuten der SGG, dass sich die SGG vorbehalte, bei grossen nationalen Ereignissen, Bedürfnissen und Notständen nationale Sammlungen zu veranlassen und an das Solidaritätsgefühl der Schweizer Bevölkerung zu appellieren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts sammelte die SGG bei nationalen Katastrophen, in der Regel bei grosse Überschwemmungen und Bergstürzen (z.B. Leventina, Goldau o.ä.) Gelder aus allen Landesteilen.
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Die SGG war massgeblich an der Korrektur der Reuss bei Flüelen beteiligt. Als Vertreter der SGG anno 1858 die Bauten besichtigen wollten und von Brunnen per Schiff nach Flüelen fuhren, machten sie eine verblüffende Entdeckung. Auf der historischen Rütliwiese entdeckten sie Holzprofile, die auf eine Überbauung des Geländes hinwiesen. Als sie herausfanden, dass der Bau eines Hotelkomplexes kurz bevorstand, leiteten sie umgehend eine nationale Sammelaktion ein und kauften 1859 das Rütli. Ein Jahr danach schenkte die SGG das Rütli der Schweizerischen Eidgenossenschaft und verwaltet den historischen Ort seither. Zahllose Schulklassen pilgerten in den letzten 150 Jahren an den stillen Ort am Urnersee. Die SGG veranstaltet auf der Rütliwiese jeweils am 1. August die Bundesfeier, an der über Tausend Personen aus allen Sprachregionen teilnehmen. Mit der Verwaltung des Rütli will die SGG die Geschichte der Eidgenossenschaft würdigen und gleichzeitig mit kulturellen Veranstaltungen den nationalen Zusammenhalt von heute und morgen fördern.
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Im 19. Jahrhundert gründete die SGG mehrere Erziehungs- und Besserungsanstalten (Hilfs- und Sonderschulen). Ausserdem richtete sie ihr Augenmerk auf die Bekämpfung des Alkoholkonsums und des Glückspiels um Geld, auf die Popularisierung von Gesundheits- und Ernährungswissen sowie die Förderung der Berufsbildung. In den 1930-er Jahren richtete die SGG landeweit Volksküchen ein. 1883 erteilte die SGG dem Müller Julius Maggi in Kempthal den Auftrag, eine schmackhafte, nahrhafte und schnell zuzubereitende Nahrung für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu entwickeln. Die Idee war, dies auf der Basis von Leguminose machen zu können. Dieser Versuch gelang nach einer einjährigen Testphase. Die Leitung der SGG prüfte die Qualität der Produkte anlässlich eines mehrgängigen Essens und erlaubte darauf Maggi, für seine Produkte mit dem Label „SGG-geprüft“ zu werben.
Bericht Folio NZZ
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Als traditionsreiche sozialpolitische Gesellschaft rief die SGG im 20. Jahrhundert mehrere private Wohlfahrtswerke ins Leben. 1901 initiierte die SGG den Fonds für Hilfe bei nicht versicherbaren Elementarschäden.
1912 gründete die SGG die Pro Juventute und 1917 die Stiftung für das Alter (Pro Senectute). Die Stiftungsgründung war eine Antwort auf die grassierende Altersarmut, die der 1. Weltkriegs mit sich brachte. Zweck der Gründung war es, die Altersarmmut zu lindern und alten Menschen das Armenhaus zu ersparen. Die Stiftung sollte sich auch für die Einführung der AHV einsetzen. Zu diesem Zweck gründete die SGG 1920 auch eine Kommission für Sozialversicherungsfragen, die 1925 die Annahme einer Verfassungsgrundlage für die AHV unterstützte.
Die wirtschaftliche Depression der 1920er-Jahre und die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre (1932-1937) führten die private Wohltätigkeit und die öffentliche Wohlfahrt an ihre Grenzen, was jenen Flügel der SGG stärkte, der für eine staatlich geführte Sozialpolitik eintrat. Verschiedene Experten, die sich an der Erarbeitung des AHV-Gesetzes von 1947 beteiligten, waren Mitglieder der SGG. Mehr noch als zur aktiven Gesetzesarbeit trug die SGG durch Tagungen und Publikationen zu einer lebhaften Debatte bei. Als soziales Netzwerk bürgerlicher Kreise bildete die SGG zumindest bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Stimme in der Debatte um die Soziale Sicherheit.
1918 gründete die SGG die Stiftung zur Förderung von Gemeindestuben und Gemeindehäusern. Auch bei der Gründung der Schweizerischen Gesellschaft zur gegenseitigen Versicherung des Mobiliars anno 1826 in Bern, aus der die heutige Mobilar-Versicherung entstand, war die SGG wesentlich mitbeteiligt.
Mit der Gründung und Koordination von nationalen Konferenzen leistete die SGG auch einen Beitrag zur Verständigung in der Familienpolitik. Sie organisierte 1931 die Schweizerische Familienschutzkommission, die sich unter anderem für die allgemeine Einführung von Familienzulagen einsetzte. Und 1931 stand die SGG Pate bei der Gründung von Pro Familia. Die SGG trug auch zur Koordination der privaten Wohlfahrtswerke und zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit bei. So konstituierte die SGG 1932 die Schweizerische Landeskonferenz für soziale Arbeit, welche 1942 die Schweizer Berghilfe gründete. Weiter gab sie 1934 den Anstoss zur Gründung der Zentralauskunftsstelle für Wohlfahrtsunternehmungen (Zewo).
Und 1978 gründete die SGG das Hilfswerk Pro Mente Sana, die sich für psychisch beeinträchtigte Menschen einsetzt.
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In den letzten hundert Jahren erhielt die SGG zunehmend Schenkungen und Legate. Das von der SGG verwaltete Vermögen stieg von 180’000 Franken (anno 1910) auf inzwischen über 80 Millionen Franken. Diese Spenden ermöglichen der SGG, jedes Jahr über 1,2 Millionen Franken zur professionellen Förderung von sozialen Projekten Dritter sowie für die individuelle Unterstützung von armutsbetroffenen Einzelpersonen und Familien zu verwenden. Auch finanziert die SGG mehrere eigene Programme und Projekte, die dem sozialen Zusammenhalt der Schweiz dienen (soziale Weiterbildung für Kaderleute aus Wirtschaft und Verwaltung, Berufsintegration für Jugendliche sowie Förderung der Generationenbeziehungen).
Organisatorisch wandelte sich die SGG nach 1850 zu einem zentral geführten Verein. Die Mitgliederzahl erreichte 1860 rund 1’000, stagnierte auf diesem Niveau bis um 1890 und stieg infolge von Werbeaktionen nach 1920 vorübergehend auf 10’000 Mitglieder an. Seit den 1970-er Jahren sank die Mitgliederzahl kontinuierlich. Einerseits waren inzwischen zahllose neue monothematische Institutionen im sozialen, kulturellen, karitativen und sportlichen Bereich entstanden. Und andererseits steht der zunehmende Individualismus in Konkurrenz zum Vereinsgedanken. Die SGG zählt heute rund 1’000 Mitglieder (2016). Dadurch, dass die SGG ihre Zeitschrift „Revue“ im Jahr 2015 durch einen Online-Newsletter ersetzt hat, steht die SGG nicht nur mit ihren Mitgliedern in regelmässigem Kontakt, sondern auch mit rund 5’000 weiteren Organisationen und Personen im In- und Ausland. Waren im 19. Jahrhundert vorwiegend Pfarrer, Exekutivpolitiker, Unternehmer und Bildungspersonal in der SGG vertreten, zählen heute unterschiedlichste Organisationen und Schlüsselpersonen aus der Zivilgesellschaft sowie aus Staat und Wirtschaft zu den Partnern der SGG.
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Mit Beginn des dritten Millenniums und dem UNO-Jahr der Freiwilligenarbeit anno 2001 fokussierte die SGG ihren Schwerpunkt auf die Erforschung und die Förderung des freiwilligen und zivilgesellschaftlichen Engagements in der Schweiz. Zudem engagierte sich die SGG zu Beginn des 21. Jahrhunderts für die Schaffung der «Stiftung Solidarität Schweiz» und übernahm die Führung der Abstimmungskampagne. Leider wurde das visionäre Projekt abgelehnt.
Im Kontext einer nationalen Wertedebatte lancierte die SGG im Jahr 2012 die Suche nach einem neuen Text für die Schweizer Nationalhymne. Die zentralen Werte der Verfassungspräambel von 1999 bildeten die textliche Basis für den neuen Hymnentext, mit welchem der Zürcher Gesundheitsökonom Werner Widmer 2015 den Künstlerwettbewerb gewann. Ansonsten nimmt die SGG als traditionsreiche sozialpolitische Gesellschaft, welche politisch, wirtschaftlich und religiös neutral ist, im Hintergrund zahlreiche Vermittlungs- und Brückenfunktionen wahr. Regelmässig bringt die SGG Organisationen, Vertreter und Schlüsselpersonen aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an einen Tisch, um gemeinsam in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen und Problemen abseits der Polit- und Medienbühne konstruktive Ideen und Lösungen zu entwickeln (z.B. nationale Strategie zur Betreuung von Angehörigen, Förderung der Milizarbeit, Förderung der zivilen Betreuung im Asylbereich, Professionalisierung der Sozialhilfe usw.