2. August 2016

Bundesfeier 2016 voller Premièren

Petrus war der Feier wie schon in den Vorjahren gnädig gesonnen. Rund 1400 Personen fanden sich bei trockenen Wetter auf der Rütliwiese ein, darunter etwa 500 Gäste vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), das sein 150. Jubiläum feierte. Auch nahmen wieder über 100 Botschafterinnen und Konsuln aus der ganzen Welt an der legendären Feier teil.

Die SRK-Präsidentin, frühere Bundeskanzlerin und SGG-Präsidentin Annemarie Huber-Hotz, endete ihr flammendes Plädoyer mit einer ermutigenden Aufforderung im Geiste Dunants: «Wir können zwar die Welt nicht grundlegend verändern; aber wir können auf der Grundlage unserer Werte und der unglaublich freimachenden Freiwilligkeit dazu beitragen, dass frische Luft in die menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen strömt. Tun wir es! Unseren Mitmenschen und unserem Land zuliebe. Dem Leben zuliebe.»

Carla Del Ponte, ehemalige Bundesanwältin, Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag und Botschafterin in Argentinien, gab in ihrer Direktheit gleich mal zu, dass sie nicht gerne Reden hält und zunächst auch die Einladung der SGG ablehnte. Sie widmet ihre Zeit und Kraft seit Jahren der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Syrien und hofft, dass die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats bald einem UNO-Sondergericht zustimmen werden, obschon sie teilweise selber im Konflikt involviert sind. Del Ponte lobte die Dialog- und Kompromissbereitschaft sowie die Toleranz als Tugenden der Willensnation Schweiz. Gleichzeitig stellte sie die kritische Frage, ob wir heute noch fähig seien, unseren Wertvorstellungen treu zu bleiben. Sie dachte dabei vor allem an Volkentscheide, welche im Widerspruch zu den Vorgaben der staatlichen Institutionen stehen und mit der Bundesverfassung, mit internationalen Abkommen oder Menschenrechten kollidieren. Die Tessinerin warnte auch davor, unseren grössten Reichtum, die Vielfalt und Eigenheiten der Sprachen und Kulturen, zu verlieren. «Wenn es uns nicht gelingt, die Vielfalt und die Offenheit als positive Werte zu sehen und zu leben, sabotieren wir die Basis dieser Schweiz, auf die wir so oft stolz sind.» Del Ponte erinnerte daran, dass viele Schweizerinnen und Schweizer im In- und Ausland die Werte des Dialogs, der Offenheit und der Toleranz mutig und fruchtbar zum Wohl der Schweiz pflegen würden: in humanitären Organisationen, in der Diplomatie, als Wissenschaftler oder Berufsleute. Diesen Menschen in aller Welt sollten wir besonders dankbar sein. Ihre Rede mündete im Vertrauen auf den Mut: «Wir müssen unsere Unabhängigkeit und unsere Vielfalt ohne Furcht bewahren, denn die Angst ist eine schlechte Beraterin und könnte uns in eine Verschlossenheit und Isolation fallen lassen und in der globalisierten Welt auf die Seite der Verlierer treiben.

Die erste Strophe der Schweizer Nationalhymne wurde wie in den Vorjahren zu den Klängen der Musikgesellschaft Brunnen in allen vier Landessprachen gesungen. Anschliessend sang der Schweizer Jugendchor in allen vier Landessprachen die neue Hymnenstrophe von Werner Widmer: «Weisses Kreuz auf rotem Grund, unser Zeichen für den Bund…». Manche Gäste sangen spontan mit, die Mehrheit lauschte gespannt den ungewohnten Worten. Die SGG-Leitung hatte befürchtet, dass es im Anschluss an das Singen der neuen Worte vereinzelte Pfiffe geben könnte, die später in der Tagesschau und auf Privat-Kanälen genüsslich gezeigt würden. Doch es gab ausschliesslich Applaus, gefolgt von anregenden Diskussionen an den gedeckten Tischen auf der Rütliwiese.