6. April 2016

40 Jahre im Dienst der Gemeinnützigen

Einerseits ist jeder Mensch ersetzbar. Andererseits halten wir uns und andere oft für unersetzlich. Die Realität bewegt sich irgendwo dazwischen. Gewisse Persönlichkeiten sind allerdings aus mehreren Gründen tatsächlich schwer bis kaum zu ersetzen. So eine Person ist Robert Karrer, von 1973-2015 ZK- und Vorstandsmitglied und seit Juni 2015 Ehrenmitglied der SGG. Im Vorstand war der 78-jährige Anwalt nicht nur der Fachmann in rechtlichen und finanziellen Fragen, sondern trug auch die SGG-Geschichte und ihre Philosophie der letzten 200 Jahre im Hinterkopf und im Herzen.

Einerseits ist jeder Mensch ersetzbar. Andererseits halten wir uns und andere oft für unersetzlich. Die Realität bewegt sich irgendwo dazwischen. Gewisse Persönlichkeiten sind allerdings aus mehreren Gründen tatsächlich schwer bis kaum zu ersetzen. So eine Person ist Robert Karrer, von 1973-2015 ZK- und Vorstandsmitglied und seit Juni 2015 Ehrenmitglied der SGG. Im Vorstand war der 78-jährige Anwalt nicht nur der Fachmann in rechtlichen und finanziellen Fragen, sondern trug auch die SGG-Geschichte und ihre Philosophie der letzten 200 Jahre im Hinterkopf und im Herzen. Sein Scharfsinn zeigte sich auch darin, dass er komplexe Inhalte immer wieder messerscharf analysieren und mit einer lateinischen oder deutschen Redewendung staubtrocken und mit einem beinahe unscheinbaren Schalk in den Augen auf den Punkt bringen konnte.

Robert Karrer, Sie und Ihre Vorfahren gehören zum Urgestein der Gemeinnützigkeit in der Schweiz. Wie tickt Ihr Gen?

Es stimmt, dass mit Paul Usteri (gest. 1831), Karl Landolt (gest. 1918) und Viktor Karrer-Landolt (gest. 1949) schon direkte Vorfahren von mir mit der SGG als Präsident, Vorstandsmitglied oder Kommissionspräsident verbunden waren. Dies habe ich allerdings erst im Lauf der Jahre wirklich wahrgenommen. Kaum genetisch, aber sicher überliefert ist eine gewisse liberale Familientradition.

Sie haben die SGG während vier Jahrzehnten aus der Nähe verfolgt, beobachtet und geprägt. Die SGG hat sich von einer klassischen Vergabeorganisation wieder vermehrt zu einer gesellschaftspolitischen Organisation mit mehreren eigenen inhaltlichen Programmen und Projekten entwickelt. Wie würden Sie die Entwicklung deuten? Und über welche Entwicklung freuen Sie sich aus heutiger Sicht am meisten?

Die SGG hat mit dieser Entwicklung wieder zu ihrer Tradition zurückgefunden, die wirklich stark von gesellschaftspolitischen Aktivitäten geprägt war. Ich freue mich über alle Projekte, wo Impulse für ein zivilgesellschaftliches Engagement Einzelner sichtbar werden. Ich bin der Meinung, dass persönliches Engagement und Mitarbeit nicht nur etwas Gutes bewirken, sondern auch die „Täter“ [nbsp]bereichern und hellsichtiger machen[nbsp] – eine Win-win-Konstellation.

Sie sind kein Freund eines Spendewesens mit der kleinen Giesskanne und haben innerhalb der SGG wiederholt für eine grosszügige Vergabepraxis plädiert. Gleichzeitig haben Sie auch immer wieder die Frage nach der Wirkung der SGG-Projekte und der geleisteten Unterstützung gestellt. Was zeichnet ein sozial sinnvolles Projekt aus? Und welches sind nach Ihrer Meinung die wichtigen Kriterien, um deren Zielerreichung und Wirkung zu messen?

Sozial sinnvolle und persönliche Projekte zeichnen sich meines Erachtens dadurch aus, dass sie in einem bestimmten Bereich andere Menschen in irgendeiner Weise unterstützen oder fördern (im Gegensatz zu Projekten, die wesentlich nur die Beschäftigung der Initianten selbst dienen). Die Beurteilung, ob ein Projekt seine Ziele erfüllt und ob dies mit angemessenen sparsamen Mitteln geschieht, finde ich allerdings immer wieder sehr schwierig. Vor allem beschäftigt mich, ob und [nbsp]wie ein grosser Nutzen für einige wenige (Rundum-Betreuung eines alten Menschen zu Hause) und ein kleinerer Nutzen für einen breiteren Empfängerkreis (flächendeckendes KITA-Angebot) ausbalanciert werden können und sollen.

Seit der Gründung der SGG im Jahr 1810 haben sich die Verantwortlichkeiten für gesellschaftlich notwendige Dienste stark verändert. Aufgaben, die in den Familien und von privaten Institutionen und Vereinen geleistet wurden, sind vom Staat übernommen worden. Heute stösst der Staat oft an seine finanziellen Grenzen. Und die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung der Wirtschaft ist nicht geklärt. Was braucht es, damit die gesellschaftlich notwendigen Dienste, zu denen beispielsweise die Betreuungsarbeit für Kinder, Betagte und Fragile gehört, auch langfristig garantiert und finanziert werden können?

The good news: In den letzten Jahrzehnten sind die Steuern und Abgaben im Verhältnis zu den Einkommen stetig gesunken. Es besteht daher objektiv durchaus ein erheblicher Spielraum für höhere Ausgaben, ohne dass dadurch die Bürger verarmen oder eine totale Umverteilung der Güter stattfinden würde. The bad news: Ohne verstärkten Leidensdruck und lange Umdenk- und Anpassungszeiten geht es nicht; während dieser Zeiten werden die Probleme für den Einzelnen grösser, nicht kleiner. Denken wir daran, wie lange die Einführung der AHV oder das BVG-Obligatorium gebraucht haben.

Sie waren unter anderem auch in der Rütli-Delegation der SGG engagiert und haben die struben Zeiten vor 8-12 Jahren erlebt, als Rechtsextreme jeweils die Bundesfeier störten. Wie haben Sie diese Zeiten erlebt? Und was hat sich seither geändert?

Geärgert haben mich natürlich die Versuche, das Rütli für partikuläre Standpunkte und Ideologien zu vereinnahmen; das gilt auch für alle Versuche, „rechte Schweizerart“ irgendwie einschränkend zu definieren und dafür das Rütli in Beschlag zu nehmen. Nachdenklich hat mich auch die Situation gestimmt, als es einmal so aussah, wie wenn man wegen der hohen Sicherheitskosten am 1. August von nirgends her auf das Rütli fahren könnte. Viele Bürger und Bürgerinnen kamen dann erst recht an die 1. August Feier. Und ein Höhepunkt für „rechte Schweizerart“, wie ich sie verstehe, fand im Jahr darauf statt, als ein heftiges Gewitter über die Rütli-Feier niederging und die Anwesenden den Platz nicht räumten, sondern die zahlreichen (vorausschauend mitgebrachten) Regenschutzartikel aktivierten und dem Wetter trotzten.

Was wünschen Sie der SGG für die nächsten Jahre? Welchen Wunsch geben Sie Ihren Kollegen und Kolleginnen in der SGG-Zentralkommission und im SGG-Vorstand auf den Weg?

Ich wünsche mir, dass die SGG sich weiterhin der Stärkung der Zivilgesellschaft widmet nach dem Motto: „Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist zu wichtig, als dass man ihn der Politik überlassen dürfte“. Dafür sollen auch die vorhandenen Finanzen klug eingesetzt werden.

Wann würden Sie sich ganz speziell über die SGG freuen und ein wenig stolz auf sie sein?

Wenn die SGG in einem oder mehreren ihrer Projekte breite Anerkennung von verschiedenen Parteien und Volksgruppen erreichen würde.

Das Interview führte L. Niederberger, SGG