24. Juni 2024

Zum Abschied von Nicola Forster

Laudatio von Martin Hofer an der GV vom 21. Juni 2024:

«Was waren das für vier Jahre, die er da hinter sich gebracht hat. Was waren das für wichtige Jahre, auch für uns; was waren das für intensive Jahre! Von Judith Stamm und Annemarie Huber Hotz zu Jean Daniel Gerber und eben Nicola…

 Als das amtsälteste Vorstandsmitglied glaube ich die jüngere Geschichte einigermassen gut bewerten zu können und auch das Walten und Wirken der Präsidentinnen und Präsidenten; vor allem: welchen innen- und aussenpolitischen Wetterlagen sie ausgesetzt waren. Dann komme ich schnell einmal zur Feststellung: Nie in diesem Jahrtausend war ein SGG-Präsident so gefordert, wie es Nicola war. Nie gab es so viel Unwetter über der Organisation. Nie musste die Organisation dermassen geschützt werden. Nicht einmal damals, ich erinnere mich gut, als unter Judith Stamm Rechtsradikale Jahr für Jahr unsere 1. Augustfeier fast ins Wanken gebracht hatten. Die Institution war nie so gefordert, in meiner Beobachtung, wie heute, wie in der Zeit von Nicola. Und zwar gefordert von allen Seiten.

Bild: Vorstandsmitglied Martin Hofer

 

Schon mal vom Lauf der Welt: Einen anspruchsvollen Verein, wie den unsern, in Zeiten von Corona zu führen, ist nicht gerade ein Spaziergang. Mit Telefon, Video, ohne richtige Gespräche – das war schwierig. Da war ein neuer Präsident, der etwas beginnen will, und er kann nicht so richtig…

Gefordert war der scheidende Präsident auch von Aussen: Er hatte im Verbund mit vielen von uns einen grossen politischen Vereinnahmungsversuch abzuwehren. Wir wurden nicht wahrgenommen als die Zivilgesellschaft, die wir sind, sondern eben als quasi politischer Verein. Doch: Wir sind nicht politisch, wir sind politisch unabhängig, wir haben es gerade in den Statuen festgehalten.

Und gefordert waren wir alle im Vorstand auch von Innen: Viel nachdenken, diskutieren, streiten über Fragen von Governance, Statuten, strategische Ausrichtung.

Es gab weitere Dinge: die nötige Entlassung eines Geschäftsführers, die Trennung von einem Vorstandsmitglied… Die Wetterlage, in der Nicola seines Amtes waltete: wenig Sonnenschein, viel Regen, starke Gewitter, Stürme.

Es gäbe viel zu erzählen, wenn wir mit Anspruch auf Genauigkeit und auf eine gewisse Breite den Umfangreichtum seiner Arbeiten beurteilen wollten. Das mach ich nicht, so im Rückspiegel.

Ich möchte aber einen Blick darauf werfen, wie es war, als wir ihn gewählt haben. Diese Erinnerung, finde ich, ist wichtig: Nicola war der erste Präsident, der nicht auf Zuruf, sondern in einem professionellen Ausschreibeverfahren gesucht und auch gefunden wurde. Mit seiner Wahl war der explizite Wunsch und auch der Auftrag von Vorstand und ZK verbunden, der SGG neue Impulse zu verleihen. Neue Impulse, weil es darum ging, die SGG ins digitale Zeitalter zu führen – wir haben das verschlafen, das müssen wir ehrlich sagen – und die SGG, unsere Gesellschaft, auch an jüngere Menschen anschlussfähig zu machen. Der junge Mann Nicola war der richtige Mann dafür. Er hatte zuvor schon erfolgreich andere zivilgesellschaftliche Organisationen gegründet, geleitet und zum Erfolg gebracht.

Was geschah dann? Unter all diesen Umständen? Die neuen Impulse kamen. Der junge Mann hat geliefert!

Als erstes hat er angepackt, was wir noch unter der Ägide von Jean Daniel Gerber skizziert hatten. Wir haben ihm den Auftrag gegeben, Pro Futuris zu gründen, zu entwickeln, zu erarbeiten. Ganz im Sinne des alten SGG-Leitsatzes vom «Sprechsaal der Nation» – dieses Wort hat uns immer getragen – das hat ihm gefallen, und so wurde Pro Futuris auf die Beine gestellt. Neue Dialog- und Teilhabeformate, um die demokratische Kultur der Schweiz zu stärken, wurden gesucht. Das gelang eindrücklich.

Dann gab es diese über 30‘000 Stimmen oder Unterschriften, die wir in der Coronazeit in einer digitalen Aktion gesammelt haben. «Liebe Schweiz» hiess diese Aktion. Murat Yakin hat unterschrieben, bekannte Unternehmer haben unterschrieben. Linke, in der Mitte oder auch rechts positionierte Politikerinnen und Politiker haben unterschrieben. Auch gewöhnliche Leute. Die ganze Geschichte hat uns sehr viel Respekt eingebracht. Auch in der Tagesschau wurde darüber berichtet.

Die psychische Gesundheit von Jugendlichen – ich nenne ein anderes Thema – ist eines der brennendsten Themen in der Gegenwart, vielleicht auch in der Zukunft. Pro Futuris hat geholfen diesen beängstigenden Fakt in die öffentlichen Diskussionen, in die öffentliche Debatte zu tragen. Der neue Zukunftsrat ist unterstützt von Behörden, Bundesrätinnen, Stiftungen und der Unicef.

Auch eine andere Art des Zusammenarbeitens: partnerschaftlich zusammenarbeiten, Hierarchien flach halten. Nicht alles kommt top down, was wir machen, das kommt aus der Fläche, das kommt von den Menschen – diese für die Zukunft der Organisation SGG wichtige Art der Zusammenarbeit hat Nicola zu uns getragen.

Das ist für mich sein Vermächtnis. Es ist festzumachen an Pro Futuris, festzumachen an der Art der Zusammenarbeit – das ist der Leuchtturm seiner Amtszeit. Und damit möchte ich eigentlich schon aufhören. Nicht weil nicht noch gar Manches zu erzählen wäre, sondern weil ich so einer bin – Nicola weiss das – weil ich einer bin, der gerne Sprüche macht und die Dinge entkomplizieren möchte. Eine meiner Lieblingsweisheiten, wenn es ums Menschliche geht, heisst im Französischen: «Les beaux adieux sont courts.»

Jetzt breche ich schnell diese Regel, da ich etwas doch sehr wesentlich finde in dieser Laudatio. Die ich übrigens gerne halte für dich, Nicola, ich habe auch den Auftrag gerne übernommen diese zu machen von meinen Vorstandskollegen. Ich kann mich aber nicht daran halten, jetzt «court» zu sein.

Deutsch und deutlich möchte ich nämlich etwas sagen: Gewisse politische Kreise, die beim Rütli die Deutungshoheit gewinnen wollen, verbreiten Behauptungen. Immer wieder kommt das: Nicola habe die SGG verpolitisiert. Warum? Weil er Nationalratskandidat war. Hallo Miliz, hallo freisinniger Stadtpräsident, hallo liebe Judith Stamm – CVP Vertreterin, hallo liebe Annemarie Huber Hotz – Freisinnige mit Haut und Haar…   Es wurde noch schlimmer. Es hiess, wir als SGG würden linke Politik betreiben. Das wurde fast immer Nicola zugewiesen. Gewisse Medien haben den Echoraum sogar noch geöffnet für dieses Geschwätz. Das ist Blödsinn, das ist «Hafechäs», dieses Wort haben wir als Überschrift für diese ganze Geschichte genommen. Es ist auch verleumderisch, es war auch gelogen.

Wahr ist, und meine Vorstandskolleginnen und -kollegen können das bezeugen: Nicola – auch wenn er Nationalrat hat werden wollen, er war schon Kandidat, als wir ihn gewählt haben – Nicola hat diese Position nie missbraucht, auf keine Art und Weise. Er hat uns nicht verpolitisiert. Er war zivilgesellschaftlich orientiert. Das muss einfach laut gesagt: Da wird diesem Mann unrecht getan.

Das gesagt habend: Nicola, wenn du jetzt den Führungsstab weiterreichen wirst, kommt mir so ein Moment in den Sinn, als du in einer sympathischen launigen Art am Rücktrittsfest deinen Vorgänger Jean Daniel verabschiedet hast. Du hast SGG-Schirme verteilt.

Bild: Unter einem Schirm – der neue SGG-Präsident, Anders Stokholm, und der bisherige, Nicola Forster.

 

Ich habe zwei. Ich bin derjenige, der immer die Schirme liegen lässt. Diese lasse ich nicht liegen, sie bedeuten mir viel. Nicola und der Regenschirm. Das steht für mich so metaphernhaft für deine Zeit bei der SGG. Mich dünkt, du hast über die ganze Zeit in deinen vier Jahren einen riesigen Schirm über die Organisation gehalten. Gegen alle Wetterunbill. Du bist dabei selbst sehr nass geworden. Du hast uns geschützt, du hast die Organisation geschützt. Dieses Bild wird mir immer bleiben. Du, dieser Schirm und diese Unwetter.

Was bleibt uns allen, die wir dich kennen, mögen, auch immer wieder gerne unterstützt haben: Welch intelligenter sympathischer, liebenswerter, engagierter Mensch du bist!

Ich danke für deine Schirmherrschaft, ich danke wirklich für deine Schirmherrschaft über die Gesellschaft, ich tue es im Namen von mir, vom Vorstand. Hoffentlich auch von ihnen, liebe Mitglieder, die wir jetzt Nicola verabschieden müssen. Alles Gute dir, alles Gute!»