2. Januar 2016

Wie viel Qualität kann in der Freiwilligenarbeit gefordert werden?

«Erfolgshierarchie»: mit Widersprüchen umgehen
Den Einstieg machte Herbert Ammann, bis 2013 Geschäftsleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, mit einer Präsentation zum Thema Erfolgsmerkmale für gemeinnützige Organisationen. Er stellte eine Reihe von Faktoren vor, die für den Erfolg ausschlaggebend sind: gesunde Finanzlage, Prestige, «Kundschaft», zufriedene Mitarbeitende und Leitende oder die Möglichkeit, nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Kunden zu wählen. Die Faktoren sind so breit gefächert, dass sich unweigerlich Widersprüche ergeben. Deshalb müssen Institutionen gemäss Ammann Prioritäten setzen und eine Art Erfolgshierarchie schaffen.

Der Gemeinnutzen prägt die gesamte Non Profit Organisation (NPO), vom Entgelt bis zur Beschlussfassung. Dabei kommen auch immer demokratische Elemente ins Spiel. Die meisten NPO werden hauptsächlich von Freiwilligen getragen, nur die grössten Organisationen haben auch bezahlte Fachpersonen. Wichtige Aufgabe aller NPO ist, sich im Labyrinth der Erfolgsfaktoren zurechtzufinden und Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene der kommenden 15 Jahre zu antizipieren.

Freiwilligeneinsatz als doppelter Gewinn
Radikaler Szenenwechsel beim zweiten Referat mit Zahra Darvishi, der Leiterin des Corporate Citizenship Programm der Credit Suisse. Sie stellte das Corporate Volunteering vor, mit dem Credit Suisse ihren Angestellten die Möglichkeit bietet, sich an Projekten mit gesellschaftlichem Nutzen zu beteiligen. Die Einsätze dauern zwischen einem Tag bis mehrere Monate und decken verschiedene Bereiche ab: finanzielle Beratung, Mentoring für junge Studierende, Pakete sortieren für die Aktion «Zweimal Weihnachten», Holzfällen im Berggebiet, Einsatz bei Sportanlässen oder im Spital usw.

Im Lauf der Jahre hat die Credit Suisse mit verschiedenen NPO Partnerschaften geschlossen und stellt ihnen «Freiwillige» zur Verfügung. Kaderleute und Mitarbeitende der Bank erhalten die Gelegenheit, ihr Weltbild mit einem Einblick in ein Umfeld ausserhalb der Finanzwelt zu erweitern. Dies lohnt sich in doppelter Hinsicht: Für die Institutionen und die unterstützten Projekte, die von motivierten Mitarbeitenden unterstützt werden. Und für die Bank, die ihre Verankerung im Land sichtbar macht, indem sie jedes Jahr rund 65’000 Stunden Gratisarbeit schenkt. Die Frage, ob es sich bei diesem Geschenk um «echte» Freiwilligenarbeit handelt, wurde von den Teilnehmenden intensiv diskutiert.

In Workshops diskutierten die Teilnehmenden Fragen zum Spannungsfeld zwischen Motivation, sich für einen guten Zweck zu engagieren, persönlicher Bereicherung, Erwartungshaltungen, Dilettantismus und Hochkompetenz. Klar wurde: Die Aufgabe der Institutionen beim Rekrutieren, Begleiten, Ausbilden und Bei-der-Stange-halten der Freiwilligen ist nicht einfach. Es gilt, das Engagement zu führen und gleichzeitig Spielraum zu lassen. Verschiedene Organisationen haben ein professionelles Freiwilligenmanagement aufgebaut, das auch anderen zur Inspiration dienen kann. Dieser Wissensaustausch ist eines der Ziele des Netzwerks freiwillig.engagiert.

Mehr zur Tagung und zum Netzwerk: www.netzwerkfreiwilligengagiert.ch