24. Mai 2023
#SGGfördert: CAS Wiederaufbau Ukraine an der Berner Fachhochschule
Als im Februar 2022 der Krieg in der Ukraine begann, packte Halyna Yakovenko (33) innerhalb von wenigen Stunden das Allernötigste ein, schloss die Wohnungstüre hinter sich zu und machte sich mit ihrer Tochter (heute 11 Jahre alt) auf die Flucht. Im Kühlschrank lagen immer noch Esswaren. Über Moldawien und Rumänien gelangten sie schliesslich im März 2022 in die Schweiz. Ähnlich erging es Viktoria Viktorova (40). Auch sie verliess unmittelbar nach Beginn des Krieges mit ihrer Tochter (heute 12 Jahre alt) die Ukraine; auch sie leben seit rund einem Jahr in der Schweiz. Beide Frauen haben sich hier gut eingelebt und sind ebenso überrascht wie dankbar für die Gastfreundschaft der Gastfamilien und die Hilfsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung.
Der CAS Wiederaufbau Ukraine – Theorie sofort in die Praxis umgesetzt
Ende Februar dieses Jahres haben die beiden Frauen mit dem CAS Wiederaufbau Ukraine an der Berner Fachhochschule BFH begonnen. Insgesamt 30 Teilnehmer*innen absolvieren den Lehrgang. Die SGG hat im Rahmen ihres Ukraine-Fonds (siehe Box) dieses Projekt gefördert bzw. 3 Studienplätze gesponsert. Der CAS Wiederaufbau Ukraine richtet sich an geflüchtete Frauen aus der Ukraine und Ukrainer*innen, die schon länger in der Schweiz leben und die einen beruflichen Bezug zum Bausektor haben sowie an Mitglieder von Hilfsorganisationen oder ausführenden Unternehmen, die sich am Wiederaufbau beteiligen werden. Auch Teilnehmer*innen aus Politik und Behörden gehören zum Zielpublikum.
Wertvolle Erfahrungen
Halyna ist ausgebildete Finanzanalystin, hat aber in den letzten fünf Jahren in der IT-Branche als Projektmanagerin gearbeitet. Auch hat sie in zahlreichen wohltätigen Projekten mitgewirkt und unter anderem mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigung oder im Wiederaufbau von Infrastruktur im Osten der Ukraine gearbeitet. Viktoria wiederum hat in der Ukraine zuletzt einen Business Verlag geleitet, den sie zwei Jahre zuvor mit ihrer Geschäftspartnerin gegründet hatte, und den sie wegen des Krieges schliessen musste. Die beiden Frauen bringen daher wertvolle Erfahrungen mit in den Kurs und im Gespräch mit ihnen wird deutlich, wie motiviert sie sind, ihr Wissen einzubringen und zu erweitern.
Grosse Praxisnähe
Der Kurs besteht nicht nur aus theoretischen Elementen wie Vorlesungen und dergleichen, sondern legt auch einen sehr starken Fokus auf die Praxis. So beinhaltet der Stundenplan auch zahlreiche Exkursionen zu verschiedenen Projekten in der Schweiz, z.B. den Besuch einer Biogasanlage. Dieser Praxisbezug sei enorm wertvoll, wie Halyna betont: «Es ist nochmal etwas anderes, wenn man das Gelernte gleich in der Praxis betrachten kann, wenn man es sehen und anfassen kann. So bleibt mir mehr in Erinnerung und ich verstehe die Theorie nochmal genauer».
Konkrete und nachhaltige Projekte
Auch die Projekte, die in den Gruppenarbeiten erarbeitet werden, sind nicht nur theoretischer Natur, sondern werden vor Ort bereits umgesetzt. So arbeitet Viktoria mit ihrer Gruppe an der Errichtung einer Biogasanlage, die mit moderner Technologie aus dem Klärwasser Biogas erzeugen soll. Auch Halyna und ihre Gruppe arbeiten mit lokalen Behörden in einem kleinen Dorf in der Ukraine zusammen und unterstützen die Menschen vor Ort, kleine Projekte, etwa im Bereich landwirtschaftlicher Produktion, selbständig umzusetzen. Was beide Frauen besonders begeistert ist die Thematik der Nachhaltigkeit: «In der Ukraine müssen wir nach dem Krieg unseren Lebensstil verändern», sagt Viktoria. «Wir müssen nicht nur aufbauen und wiederherstellen, sondern nachhaltige Lösungen schaffen die umweltschonend sind und Zukunftsperspektiven bieten, vor allem für unsere Kinder».
Mehr als eine Weiterbildung
Beide betonen, dass die Möglichkeit den CAS Wiederaufbau Ukraine zu absolvieren, für sie weit mehr ist als eine Weiterbildung. Halyna erklärt: «Die Möglichkeit diesen Kurs zu besuchen hat mir eine neue Perspektive gegeben, ich kann nun wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft schauen. Auch gibt es mir eine gewisse Struktur und ich habe das Gefühl etwas tun zu können, was für mich auch psychologisch sehr wichtig ist in dieser Situation».
Zudem ermögliche ihnen der Kurs, ihr berufliches Netzwerk zu erweitern und wichtige Kontakte mit Expert*innen zu knüpfen. Halyna und Viktoria sind, trotz der schwierigen Umstände, voller Tatendrang. Im Gespräch wird deutlich spürbar, mit welchem Elan und Engagement sie sich bereits jetzt – wo der Krieg noch immer weiter tobt und sie täglich auf Nachrichten der Angehörigen in der Ukraine warten – für den Wiederaufbau der Ukraine einsetzen. Das im CAS erlernte Knowhow ist dabei von grossem Nutzen.
Mehr zum Thema: Berner Fachhochschule
Bilanz des Ukraine-Fonds
Die SGG-Vorstand äufnete Anfang April 2022 einen mit CHF 500’000 dotierten Ukrainefonds. Mit diesen Mitteln wurden im Inland national tätige Organisationen, lokale Projekte, eine wissenschaftliche Studie und eine Demokratie-Kampagne gefördert. Namhafte Beiträge gingen unter anderem an die spezifischen Ukraine-Projekte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, von AsyLex oder der Pro Juventute. Bewusst wurden auch lokale Projekte wie «Ukr’Aime» gefördert, ein in der Region Nyon von Freiwilligen getragener, täglich geöffneter Treffpunkt und Rückzugsort. Hier treffen sich ukrainische Flüchtlinge, werden sprachlich und in Fragen der Alltagsbewältigung unterstützt. Andererseits sprach die SGG etwa einen Beitrag für eine Monitoring-Studie der ZHAW. Erkenntnisse zum Integrationsverlauf der Geflüchteten werden einer breiten Fachöffentlichkeit zugänglich und für künftige Fluchtbewegungen nützlich gemacht. Die geförderte Demokratie-Kampagne #StandUp4Democracy schärft das Bewusstsein für den Wert der Demokratie in Abgrenzung zu autokratischen Herrschaftsformen.