26. Januar 2023
«Repräsentativität ist unser Ziel» – Interview mit der Projektleitung des ZukunftsratU24
SGG: Wie kam es zum Projekt Zukunftsrat U24?
Che Wagner: Bei Pro Futuris haben wir uns gefragt, wie man Bevölkerungsgruppen, die wenig eingebunden sind, an der Demokratie besser teilhaben lassen könnte. Das Format Bürger:innenrat wird bereits in anderen Ländern erfolgreich durchgeführt, ist aber für die Schweiz noch relativ neu. Mit der UNESCO-Kommission haben wir von Anfang an eine geeignete Partnerin, die an das Projekt glaubt.
Lara König: Gleichzeitig wurde in der Analyse klar, dass die Demokratiemüdigkeit der jungen Generation für den Bestand der Demokratie eine Gefahr ist. Der tiefen Partizipation könnte mit neuen Möglichkeiten entgegengewirkt werden. Durch die Kombination entstand der Fokus auf die junge Bevölkerung und damit der Zukunftsrat U24.
Lara König
Co-Projektleitung Zukunftsrat U24
Lara König
Co-Projektleitung Zukunftsrat U24
«Der Zukunftsrat ergänzt bereits bestehenden Instrumente und spricht auch jene an, die noch nicht politisch aktiv sind.»
Die direkte Demokratie bietet so viel Partizipation, wie sonst wohl selten ein System. Zudem gibt es regionale und nationale Jugendparlamente und -räte. Weshalb braucht es dieses neue Format?
Lara König: Für aktive und motivierte Jugendliche und junge Erwachsene gibt es bereits heute Instrumente der politischen Teilhabe und diese sind sehr wichtig. Viele Jugendverbände, die heute diese Aktivitäten durchführen, sind deshalb im Projekt als Partner dabei. Der Zukunftsrat ergänzt diese bereits bestehenden Instrumente und spricht auch jene an, die noch nicht politisch aktiv sind. Einmalig ist zudem die Repräsentativität, die wir dank der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik nahezu erreichen. Mit der öffentlichen Themeneingabe und dem Losverfahren für die Teilnahme am Zukunftsrat können wir die junge Bevölkerung im Alter von 16 bis 24 im Zukunftsrat annähernd abbilden. Auch junge Menschen unter 18 Jahren und ohne Schweizer Pass können am Projekt teil haben.
Die Vorbereitungsarbeiten laufen schon seit anderthalb Jahren. Was waren eure bisher grössten Herausforderungen?
Che Wagner: Die Datenbeschaffung war zentral, die Frage war «Wie kommen wir an die Jugendlichen?» Denn die Repräsentativität ist unser Ziel. Nur dank der Unterstützung des Bundesamts für Statistik zusammen mit der Begleitforschung der Universität Zürich, können wir aus dem Einwohnerregister der Schweiz eine zufällige Stichprobe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen anschreiben und in den Zukunftsrat U24 einladen. Ohne dass wir die Daten selbst erhalten oder Einfluss darauf haben.
Lara König: Eine weitere Herausforderung war die Finanzierung. Ein solches Pionierprojekt ist mit Risiken verbunden. Dies muss von allen Projektteilnehmenden mitgetragen werden. Wir sind sehr dankbar über die nun breite Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, Stiftungen regional und national, die an uns glauben. So kann das Projekt unabhängig agieren und diese neuartige Idee testen.
Che Wagner
Co-Projektleitung Zukunftsrat U24
Che Wagner
Co-Projektleitung Zukunftsrat U24
«Wir werden aus dem Einwohnerregister der Schweiz eine zufällige Stichprobe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen anschreiben und in den Zukunftsrat U24 einladen.»
Ihr startet das Projekt mit einer öffentlichen Ausschreibung, in der Jugendliche und junge Erwachsene ihre Themen einbringen können. Hand aufs Herz – ist hier nicht schon das Klima, die gemäss Umfragen grösste Sorge der Jugendlichen, gesetzt?
Lara König: Die Diversität der Themen, die Jugendliche beschäftigen, ist sehr breit. Umfragen zeigen, dass auch sozialpolitische Fragen oder Diskriminierungsfragen oben auf der Dringlichkeitslisten stehen. Wir möchten hier nicht vorgreifen und auch diesen Vorprozess partizipativ gestalten. Wir möchten wissen, was sie in dem spezifischen Format «Zukunftsrat» im Jahr 2023 diskutieren möchten. Vielleicht ist es ein breites Thema wie die Klimagerechtigkeit, vielleicht aber auch etwas spezifischeres, wie die Energieproduktion oder etwas ganz anderes. Wir möchten das die Generation selbst entscheiden lassen.
Wie können Jugendliche und junge Erwachsene schon heute Teil dieses Zukunftsrats werden?
Che Wagner: Sie können bis zum 9. Februar ihre Themen im Open Call einbringen. Zudem können sie sich für den Newsletter eintragen oder uns auf TikTok und Instagram folgen. Da gibt es immer wieder Neuigkeiten und auch Austauschmöglichkeiten – auch wenn man nicht selbst dann im Herbst am Rat teilnehmen kann.
Wie werden die 80 Jugendlichen für den Zukunftsrat im Herbst ausgewählt?
Lara König: Von den rund 800’000 jungen Erwachsenen und Jugendlichen in der Schweiz wird im Frühling eine zufällige Stichprobe von 20’000 angeschrieben. Durch Anmeldung und Losverfahren sind es am Ende dann 80 Teilnehmende im Zukunftsrat.
Der Zukunftsrat wird von Pro Futuris, dem Think & Do Tank der SGG durchgeführt. Ist dies ein einmaliges Pilotprojekt oder steckt dahinter ein grösserer Plan?
Che Wagner: Der Zukunftsrat U24 ist ein einmaliges Experiment ohne automatisches Folgeprojekt. Aber es wird mit wissenschaftlicher Begleitung evaluiert und danach entschieden, ob und wie es in der Schweiz weitergeführt werden könnte und welche Akteure Interesse an einer solchen Weiterführung haben könnten.