25. September 2023
Stiftungssymposium Fribourg: SGG-Präsident Nicola Forster im Gespräch
Angekündigt war der Programmpunkt der Tagung als «kritischer Gedankenaustausch mit klugen Köpfen». Als Moderatorin des Gesprächs fungierte die Journalistin Anne-Barbara Luft. Auf dem Podium sassen Nicola Forster und Philipp von der Wippel.
Wie Anne-Barbara Luft zu Beginn des Podiumgesprächs eröffnete, hatten beide Männer bereits im jungen Alter innovativen Geist und Wagemut bewiesen: Wippel hatte als 16-Jähriger «ProjectTogether» gegründet – eine deutsche NGO, die für lösungsorientierte Prozesse jeweils Verhandlungspartner an einen Tisch bringt. Mit ihren Initiativen konnte die Organisation in den vergangenen Jahren einige Erfolge erzielen.
Und auch Nicola Forster ist es im jungen Alter gelungen, sich mit zivilgesellschaftlichem Engagement zu profilieren: Mit 25 Jahren gründete er den Think Tank «foraus» mit. Seit 2017 steht der heute 38-jährige dem von ihm initiierten «Staatslabor» als Präsident vor. Auch die Stiftung «Science et Cité» sowie die SGG präsidiert er. Ausserdem ist Forster politisch aktiv, u.a. als Co-Präsident der Grünliberalen Partei Zürich.
Moderatorin Anne-Barbara Luft fragte Forster danach, wie es ihm denn damals gelungen sei, sich auf dem politischen Parkett zu etablieren. Er entgegnete lachend, «foraus» sei in der Diplomatie und der Aussenpolitik tätig: «Es gibt kaum einen Bereich, der traditioneller funktioniert und mehr dominiert ist von Männern im Alter um die 65.» Er habe sich überlegt, was er tun könne, um in diesem Umfeld zu bestehen. Seine Lösung: «Ich ziehe mir einfach eine Fliege an.» Das einerseits traditionelle und dennoch etwas ausgefallene Kleidungsstück ist seither Forsters festes Markenzeichen. «Man muss auf einem sehr schmalen Grat balancieren, um für die Etablierten genügend systemkonform zu sein, aber gleichzeitig dennoch disruptiv unterwegs sein, um etwas bewegen zu können», sagte Forster.
In der Schweiz sei aber grundsätzlich Vieles möglich. Die Schweiz funktioniere nach dem Konzept «Management by Apéro.» Hier könne man die allermeisten Entscheidungsträger irgendwo auf einem Apéro treffen und ins Gespräch kommen. So gelinge es hier – im Gegensatz zu Wippels Heimat Deutschland – oft verhältnismässig unkompliziert, spannende Kontakte anzubahnen.
Vorstellbarkeit des Machbaren verändern
Philipp von der Wippel bestätigte, dass es in Deutschland meist schwierig sei, an die richtigen Leute zu gelangen. Er plädierte aber dafür, dass junge Menschen nicht nur mit Ohnmacht oder Empörung auf gesellschaftliche Missstände reagierten. Sie sollten stattdessen aktiv werden für ihre Anliegen: «Man muss Wut umwandeln in Mut.»
Wolle eine NGO mit innovativem Geist etwas bewegen, gehe es darum, die «Vorstellbarkeit des Machbaren verändern.» So sei es «ProjectTogether» beispielsweise zu Beginn der Corona-Pandemie gelungen, die wichtigsten Parteien gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Beim ansonsten trägen Behördenapparat sei vor allem die Kurzfristigkeit dieser Aktion vorher sogenannt «unvorstellbar» gewesen. Die Krise half als Katalysator mit, die Grenzen des Machbaren zu verschieben. «Und dann muss man Allianzen bilden, auch ungewöhnliche», fügte Wippel an. «So gelingt es Bewegungen zu bauen, die nicht konfrontativ sind. Sondern Umsetzungsbündnisse.»
Bündnisse mit Potential
Wie sich im nachfolgenden Gesprächsverlauf herauskristallisierte, verorteten die Gesprächspartner auf dem Podium gerade bei solchen ungewöhnlichen, manchmal auch spontan einberufenen und vor allem lösungsorientierten «Umsetzungsbündnissen» von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat grosses Potential für die «Brave New Philantropy».
«Gibt es solche Projekte denn auch in der Schweiz?», wollte Moderatorin Anne-Barbara Luft von Forster wissen. «Unbedingt», meinte Forster, «die SGG ist ein Modell dafür.» Die allgemeine Schulpflicht sei von der SGG mitkonzipiert worden oder auch die AHV. «Es war also ein zivilgesellschaftlicher Verein, der zusammen mit Wirtschaft und Politik ein solches Umsetzungsbündnis anregte. Bereits damals.» Das sei auch heute noch wesentlich: «Als NGO muss man sich stets fragen, wen man einbinden kann, damit ein Projekt zum Fliegen kommt und weiterbesteht.» Es gebe in der Schweiz aber zu viele Stiftungen, bei denen das Kapital nur herumliege, kritisierte Forster und konstatierte deren fehlenden Wagemut.
Auch Wippel pflichtete bei, dass Stiftungen aufpassen müssten, in ihrer Organisationslogik nicht einem trägen Verwaltungsmodus zu erliegen. «Sie müssen sich darauf besinnen, dass ‘changing the business’ ihre Sache ist. Nicht ‘running the business’.» Eine Stiftung solle sich fragen: «Was ist ein gesellschaftliches Problem, das wir angehen möchten, aber alleine nicht lösen können? Was könnte hier die entscheidende Veränderung bringen?». Und dann gelte es den Raum zu öffnen für Lösungsprozesse und Kooperationen. Wenn man sich mit Bündnispartnern auf ein gemeinsames Ziel fokussiere, würden sich oft auch verhärtete Fronten zwischen vermeintlich gegensätzlichen Partnern aufweichen, sagte Wippel.
Junge Leute in den Stiftungsrat
Am Ende des Podiums von Moderatorin Anne-Barbara Luft nach einem Ratschlag gefragt, was die Tagungsteilnehmer im Raum denn aus dem Gespräch für sich mitnehmen könnten, wenn sie heimgehen, meinte Wippel: «Sie sollen sich fragen, was für ungewöhnliche Partnerschaften sie eingehen könnten. Die Stiftungen haben die Grundlagen, um solche Kooperation zu schaffen. Und Kooperationen machen erst möglich, dass grössere Projekte finanziert werden. Wenn sie in einem kleineren Rahm funktionieren, kann man sie später auch in einem grösseren Kontext anwenden.»
Forster pflichtete ihm bei. Und fügte als Schlusswort an: «In Stiftungen arbeiten oft Menschen zwischen 30 und 50. Auf der strategischen Ebene bestehen die Stiftungsräte aber aus vornehmlich Pensionierten. Darum: Holen Sie junge Leute in den Stiftungsrat!»
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