3. März 2025

Orte für alle: Generationen verbinden im öffentlichen Raum

Wie können Städte und Gemeinden so gestaltet werden, dass sie generationengerecht sind?

Oftmals wird Raumplanung noch aus einer Perspektive gedacht, die weder die jungen noch die älteren Menschen im Blick hat – dabei sind inklusive öffentliche Räume ein Schlüssel zu mehr sozialem Zusammenhalt und weniger Altersdiskriminierung. Das SGG-Programm Intergeneration setzt sich mit dem Fokusthema Altersdiskriminierung unter anderem dafür ein, dass der öffentliche Raum so gestaltet wird, dass Begegnungen zwischen den Generationen gefördert und allen Altersgruppen gleichberechtigte Teilhabe und Aneignungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum ermöglicht wird. 

Das heisst zum Beispiel: Ein Spielplatz, der sowohl Kindern und Jugendlichen ihre Freiräume bietet, aber auch auch Begegnung mit älteren Menschen ermöglicht. Oder eine Stadtstrasse, die nicht dem Verkehr Vorrang einräumt, sondern den Menschen, die dort leben und arbeiten. Einige Orte in der Schweiz und anderswo machen es bereits vor – mit Ideen, die inspirieren und zeigen, wie wir altersfreundliche Lebensräume schaffen können. 

Reinach BL: Ein Park für alle Generationen 

Mit dem Generationenpark Mischeli hat die Baselbieter Gemeinde Reinach einen Ort geschaffen, der Kinder, Jugendliche und ältere Menschen zusammenbringt. Entstanden ist er aus einem partizipativen Planungsprozess, bei dem die Bevölkerung ihre Wünsche einbringen konnte. Das Ergebnis: ein vielseitiger Freizeit- und Erholungspark mit Schattenplätzen und bequemen Sitzmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe von Spielgeräten, einem offenen Begegnungsraum und einem barrierefreien Zugang für alle. Der 2015 eröffnete Park wurde so gestaltet, dass er zu jeder Tageszeit und Jahreszeit genutzt werden kann. Auch für sportliche Aktivitäten gibt es Angebote: Von Bewegungsparcours für Erwachsene bis ins hohe Rentenalter bis hin zu Spielplätzen für Kinder – hier ist für alle etwas dabei.

In Kürze: Das ist Intergeneration

Das SGG-Programm Intergeneration ist die Schweizer Netzwerk- und Austauschplattform für Generationenfragen. Die Plattform intergeneration.ch fördert die Sichtbarkeit von Generationenprojekten und bietet interessierten Personen sowie Organisationen Raum für Vernetzung, Information und Wissenswertes rund um Generationenbeziehungen. Seit 2024 setzt sich Intergeneration im neuen Fokusthema Altersdiskriminierung gegen die Benachteiligung aufgrund des Alters ein.

Wauwil: Tempo drosseln, Lebensqualität steigern

In der Luzerner Gemeinde Wauwil war die Kantonsstrasse lange eine gefährliche Barriere – besonders für Kinder auf dem Schulweg und für Menschen, die den Bahnhof benutzen. Die Lösung? Eine Geschwindigkeitsreduktion auf Tempo 30 auf einem Abschnitt von 400 Metern Länge. Die Massnahme war ein altes Anliegen aus der Bevölkerung, das der Gemeinderat aufnahm. «Es galt zu handeln, bevor ein schlimmer Unfall passiert», sagte Gemeindepräsident Ivo Kreienbühl vor zwei Jahren dem «Willisauer Boten». Mit der Temporeduktion wurde nicht nur die Sicherheit erhöht, sondern auch die Aufenthaltsqualität verbessert.

Wauwil war auch die erste Gemeinde in der Schweiz, die 2009 von der Unicef mit dem Label «Kinderfreundliche Gemeinde» ausgezeichnet wurde. Die Jugendlichen bewegen im Ort einiges mit: So wurde die Neugestaltung der Bahnhofsunterführung vom Jugendparlament initiiert und umgesetzt. 

Bern: Begegnung statt Durchgangsverkehr

Der Turnweg im Berner Breitenrainquartier zeigt, wie Stadtgestaltung den Austausch zwischen Generationen fördern kann. 2009 wurde die Strasse zur Begegnungszone umgestaltet, um die Sicherheit der Schulkinder zu verbessern und den öffentlichen Raum aufzuwerten. Statt einer kompletten Sperrung setzte die Stadt auf Verkehrsberuhigung: Die Strasse wurde auf 3,5 Meter verengt, die Fahrbahn leicht angehoben, und Sitzgelegenheiten sowie farbige Markierungen signalisieren den Vorrang der Fussgängerinnen und Fussgänger.

Die Umgestaltung entstand als Kompromiss zwischen verschiedenen Quartierorganisationen, der Schule und der Stadt Bern. Während einige eine vollständige Sperrung forderten, befürchteten andere eine zu starke Einschränkung des Verkehrs. Die jetzige Lösung schafft eine klare Verkehrsberuhigung, ohne die Erreichbarkeit für Anwohnende aufzugeben. Das Besondere: Der Turnweg wird nicht nur als Schulweg genutzt, sondern auch als Treffpunkt für das Quartier. Kinder, Eltern und ältere Menschen profitieren von einem Raum, der Mobilität und Aufenthalt verbindet – ein wichtiger Beitrag zu einer altersfreundlichen Stadtgestaltung. 

SuperblockLeipzig 800400

Mehr Platz für Menschen: In Superblocks (hier in Leipzig) wird der öffentliche Raum neu gedacht.

Basel: Der Superblock als Modell für die Zukunft 

Basel testet in den Quartieren St. Johann und Matthäus ein Konzept, das den öffentlichen Raum neu denkt. Inspiriert von den Superblocks in Barcelona, Leipzig und anderen europäischen Städten, werden Strassen hier vom reinen Verkehrsraum zu Aufenthalts- und Begegnungszonen umgestaltet. Autos fahren nur noch mit reduzierter Geschwindigkeit, Parkflächen werden umgewidmet, und es entstehen neue Räume für Bewegung, Austausch und Erholung. 

Die Umgestaltung erfolgt vorerst mit temporären Massnahmen: Statt grosser Umbauten setzt die Stadt auf Möblierung, Begrünung und Sitzgelegenheiten. Anwohnende konnten sich in einer Dialogrunde mit Vorschlägen einbringen, die nun weiterentwickelt werden. Besonders spannend ist der generationenübergreifende Aspekt: Ob Kinder, die sicherer spielen können, oder Jugendliche und ältere Menschen, die mehr Sitzgelegenheiten vorfinden – die Superblocks sollen ein Quartier für alle schaffen. 

Nach einer einjährigen Testphase wird das Projekt ausgewertet. Es ist ein vielversprechender Ansatz, Quartiere so zu gestalten, dass sie mehr bieten als nur Verkehrsflächen – und damit Begegnung und Gemeinschaft für Jung und Alt stärken. 

Göteborg: Barrierefreiheit als Schlüssel zur Teilhabe

Das schwedische Projekt KOLLA in Göteborg ist ein Vorzeigebeispiel für eine inklusive Stadtplanung. Das Projekt zeigt, wie eine Stadt den öffentlichen Verkehr konsequent barrierefrei gestalten kann. Haltestellen wurden umgebaut, Gehwege verbessert und neue Niederflurfahrzeuge angeschafft, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine selbstständige Nutzung zu ermöglichen. Die Stadt erweiterte zudem die Flexline, ein flexibles Rufbussystem, dass mehr Menschen wohnortnahen Zugang zum öffentlichen Verkehr bietet. 

Ergänzt wurde das Projekt durch Mobilitätstrainings für Seniorinnen und Senioren sowie Schulungen für Fahrpersonal, um den Umgang mit Fahrgästen mit besonderen Bedürfnissen zu verbessern. Eine systematische Erfassung und Beseitigung von Hindernissen sorgte dafür, dass auch der Weg zu den Haltestellen leichter passierbar wurde. KOLLA wurde mit dem European Access City Award ausgezeichnet und hat Massstäbe für eine inklusive Verkehrspolitik gesetzt. Viele der Massnahmen sind heute fester Bestandteil der Stadtplanung – ein Vorbild dafür, wie öffentlicher Raum gestaltet werden kann, damit alle Menschen gleichberechtigt mobil sind. 

Fazit: Lernen von den Besten 

Ob Verkehrsberuhigung, generationengerechte Parks, neue Wohnformen oder integrative Mobilitätskonzepte – es gibt bereits zahlreiche erfolgreiche Ansätze, die zeigen, wie Städte und Gemeinden altersfreundlicher gestaltet werden können. Der Schlüssel liegt oft in einer frühzeitigen Einbindung der Menschen, die diese Räume nutzen, und in einem neuen Verständnis von Stadt- und Raumplanung: Städte sind nicht nur Orte des Wohnens und Arbeitens, sondern auch des Miteinanders. Wer langfristig denkt, sorgt dafür, dass sich alle Generationen in der gebauten Umwelt wohlfühlen – heute und in Zukunft.

Weiterführende Literatur und Links zum Thema