20. November 2023
«Ich will Dinge verändern können»
Milena, du hast dreimal an einem Wochenende des Zukunftsrats teilgenommen. Was nimmst du aus diesem Projekt für dich persönlich mit?
Bei den Zukunftsrat-Anlässen sah ich, wie andere junge Menschen im Plenum das Wort ergriffen und für ihre Meinung einstanden. Das hat mich beeindruckt und mir Mut gemacht! Selbst hatte ich anfänglich ja noch Angst davor, öffentlich zu reden. Auch weil ich noch jung bin. Ich dachte: «Mir hört ja eh niemand zu…»
Und hast du dich dann doch getraut?
Ja, beim zweiten Zukunftsrat-Wochenende habe ich mich offen geäussert und mitdiskutiert. Ich merkte schnell, dass das voll mein Ding ist – mir liegt etwas an der Politik! Ich möchte das nun weiterführen, und mich auch künftig politisch engagieren. Denn ich will Dinge verändern können, auch als junge Person. Ich weiss noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden…
Bist du Mitglied in einer Jungpartei?
Nein, bis jetzt hatte ich zu viel Respekt davor. Ich kann ich mich noch mit keiner Partei so richtig identifizieren. Aber ich werde mich nun genauer informieren. Ich glaube ich sollte es mal wagen.
Bei diesen Zukunftsrat-Wochenenden kamen 80 völlig unterschiedliche Jugendliche aus allen Landesteilen in einem Raum zusammen. Beschreibe uns doch: Wie war so die Stimmung bei diesen Treffen?
Erstaunlich gut! Man merkte in den Gesprächen schon, wer eher rechts oder links steht. Man muss sich vorstellen: Jeder einzelne von uns im Zukunftsrat repräsentierte 10’000 andere Jugendliche in der Schweiz. Wir waren alle unterschiedlich. Aber in der Gesamtheit glich es sich aus und harmonierte sehr gut.
Waren denn alle so motiviert bei der Sache wie du?
Ja, durchaus. Meine Erwartung war anfänglich, dass wohl viele Jugendliche beim Zukunftsrat dabei sein werden, die es entspannt angehen, eher Fun suchen und vor allem die nächste Party im Kopf haben. Aber nach dem ersten Wochenende habe ich realisiert, dass die meisten sich richtig ins Zeug gelegt haben. Das würde man uns Jugendlichen doch gar nicht geben (lacht). Einige machten so engagiert mit, als würden sie selbst im Bundeshaus sitzen. Mir gab es Hoffnung, dies zu erleben!
Und was hat dich gestört resp. hat dir weniger gefallen?
Ich hätte es gut gefunden, wenn wir noch etwas mehr Zeit gehabt hätten. Vielleicht noch ein zusätzliches Wochenende? Manchmal war es nämlich sehr viel auf einmal. Inbesondere nach dem zweiten Wochenende war ich völlig erledigt. Wir hatten den ganzen Tag diskutiert. Ich fühlte mich am Abend, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Die Inhalte und die Thematik waren aber super.
Warum hast du dich ursprünglich für den Zukunftsrat gemeldet?
Als ich auf dem Fragebogen mein Interesse bekundete, ging ich nicht davon aus, dass ausgerechnet ich in die Auswahl kommen würde. Als ich dann tatsächlich eingeladen wurde und sah, dass der Zukunftsrat das Thema «Psychische Gesundheit von jungen Menschen» behandeln wird, war ich dann aber sehr interessiert. Ich mache derzeit eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit – dadurch habe ich einen Bezug zur Thematik. In unserer Praxis sehe ich ab und zu Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten.
Wie erlebst du das: Ist dieses Thema wirklich so dringlich, wie in den Medien dargestellt?
Ja. Ich muss sagen, ich empfinde das als sehr wichtig. In meinem Umfeld und in der Schule habe ich viele Jugendliche kennengelernt, die psychische Schwierigkeiten haben. Und beim Zukunftsrat erhielten wir eine Statistik verteilt, die belegte, dass es wirklich so ist: Immer mehr junge Menschen erkranken psychisch. Das kann einfach nicht sein. Ich finde es wichtig, etwas zu ändern.
Was könnten deiner Meinung nach Gründe sein, dass es jungen Menschen mental zunehmend schlecht geht?
Das kann man natürlich nicht generalisieren. Ich denke, die Generation Z ist von Sozialen Medien geprägt. Viele junge Menschen haben nur noch Displays vor sich. Das hat einen grossen Einfluss. Ich selbst habe begonnen mich bewusst einzuschränken: Ich habe beispielsweise TikTok abgestellt. Bei Instagram habe ich nur noch Zugriff, wenn ich mich aktiv einlogge.
Warum hast du das gemacht?
Soziale Medien nehmen einen viel Zeit vom Tag weg. Und sie führen zu falschen Ansprüchen an sich selbst. Ich habe das bei mir selbst bemerkt: Ich hatte den Eindruck ich müsste häufiger ins Fitness, weniger essen, überall besser werden. Aber ich bin doch gut, so wie ich bin! – Damit ich das merkte, musste ich von den Sozialen Medien weg. Und mit meinen Mitmenschen reden, statt mit ihnen via Chats zu chatten. Eine digitale Auszeit kann einem dabei helfen zu realisieren, wie traurig einem die Sozialen Medien machen…
Verursachen deiner Meinung nach also die Sozialen Medien die psychischen Schwierigkeiten vieler Jugendlicher?
Nicht nur, ich sehe auch andere Gründe: Wir jungen Menschen verspüren einen hohen Leistungsdruck. Wir kommen mit 15 aus der Schule und haben das Gefühl wir müssten es allen recht machen. den Kollegen, der Schule, dem Lehrer, den Eltern… Das ist viel. Ich selbst lernte mit der Zeit mich zu reflektieren und darüber nachzudenken, wie es mir wirklich geht. Ich suche das Gespräch und merke, wenn es mir zu viel wird. Diese Fähigkeit haben aber nicht alle Jugendlichen. – Einen weiteren Grund sehe ich bei Covid: Die Coronazeit war anspruchsvoll. Zu sehen, dass es eine Pandemie gibt und man nichts tun kann, brachte viele junge Menschen dazu, eher pessimistisch oder traurig durchs Leben zu gehen.
Wie hast du persönlich die Corona-Zeit erlebt?
Es war happig. Ich arbeitete damals schon im Spital. Auf einer Covid-Station. Das war belastend und sehr stressig. Oft konnte man nichts machen, ausser die Patienten zu pflegen. Ich war sehr froh um meine Familie. Meine Mutter arbeitet auch in der Pflege. Mit ihr konnte ich reden.
Du hast nun drei Wochenenden deiner Freizeit für den Zukunftsrat investiert. Was denkst du, hat sich euer Engagement gelohnt und wird sich konkret etwas verändern?
Ich hoffe es. Wir jungen Menschen werden ja oft nicht so ernst genommen. Aber wir sind die Zukunft. Denn wir müssen morgen mit den Auswirkungen der politischen Entscheide von heute leben. Darum sollten wir mitbestimmen dürfen. Ich fände es deshalb schön, wenn der Zukunftsrat bestehen bleibt. Ob die von uns erarbeiteten Handlungsempfehlungen von der Politik aufgenommen werden, muss sich noch weisen. Vielleicht braucht es dafür auch noch weitere Anläufe? Wer weiss. Ich bin jedenfalls bereit, diese Anläufe zu nehmen. Ich werde dranbleiben! Denn genau das gehört ja auch zur Politik: Manchmal braucht es halt länger, bis dann etwas am Ende umgesetzt wird.
Zur Person
Name: Milena Jordan
Alter: 18
Wohnort: Tägerwilen TG
Schule/Beruf: Nach der Sekundarschule Tägerwilen (TG) Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit in der Klinik Seeschau, Kreuzlingen.
Hobbies: Fitness, Pilates, Musik, Klavier lernen, häckeln und sticken
(Bild: Dimitri Brooks)