11. Januar 2016
Der neue Wirt lädt ein
Das Rütli Brücke zwischen gestern und morgen
Am 3. April eröffnet der neue Pächter auf dem Rütli seine erste Saison. Der 36-jährige Obwaldner Mike McCardell will den Gästen auf dem Rütli mit erstklassigen Produkten aus der Region ein einmaliges Erlebnis bieten. Der Catering-Profi McCardell wird neben dem bisherigen Tagesbetrieb für Touristen und Schulreisen neu auch abends geschlossene Gruppen (Organisationen, Hochzeiten usw.) kulinarisch verwöhnen. Neu im Rütli-Programm sind auch kulturelle Veranstaltungen sowie Ausstellungen über Schweizer Themen.
Das Rütli Brücke zwischen gestern und morgen
Am 3. April eröffnet der neue Pächter auf dem Rütli seine erste Saison. Der 36-jährige Obwaldner Mike McCardell will den Gästen auf dem Rütli mit erstklassigen Produkten aus der Region ein einmaliges Erlebnis bieten. Der Catering-Profi McCardell wird neben dem bisherigen Tagesbetrieb für Touristen und Schulreisen neu auch abends geschlossene Gruppen (Organisationen, Hochzeiten usw.) kulinarisch verwöhnen. Neu im Rütli-Programm sind auch kulturelle Veranstaltungen sowie Ausstellungen über Schweizer Themen.[nbsp][nbsp]
Das Rütli gestern
Die Geschichte des Rütli ist bekannt. Einige Stationen seien an dieser Stelle dennoch erwähnt.
Oftmals wird das Rütli als Wiege der Schweizerischen Eidegenossenschaft bezeichnet. Lange Zeit galt das Rütli als Höhepunkt einer Schweizerreise von ausländischen Gästen. Im Jahr 1980 reiste die englische Queen Elisabeth mit dem Dampfschiff zum Rütli. Gleichzeitig ist das Rütli bis heute ein unprätentiöser Ort ohne Denkmäler und Monumente geblieben. [nbsp]Das Rütli ist geprägt von Geschichte, Legenden und Dichtung. Für viele ist das Rütli wegen des Schwurs von 1291 bis zum heutigen Tag ein Ort der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Widerstands geblieben.
Als Vaclav Havel, der frühere Präsident Tschechiens und Kandidat für den Friedensnobelpreis, am 29. Juni 2001 zusammen mit Bundespräsident Moritz Leuenberger das Rütli besuchte, sprach der ehemalige Regimekritiker:
Ich verneige mich vor diesem Platz vor dem Prinzip des Vertrages. Die Schweizerische Eidgenossenschaft wurde durch einen Vertrag gegründet und ich sehe darin ein Prinzip, welches sich immer deutlicher in der weltweiten Ordnung durchsetzt: einen Vertrag, der auf der Gleichberechtigung zwischen den Menschen, den Bürgern, der Nationen, der regionalen Gesamtheit, basieren sollte. Und ich verneige mich hier vor dem Willen der kleinen Nationen, den kleinen Einheiten, der kleinen Gemeinden, in Frieden leben zu wollen, dem Druck der Mächtigen und Starken zu trotzen. Aus dem Willen zum freien Leben und dem Willen, dem Druck der Weltmächte Widerstand zu leisten, wurde hier auf dieser Wiese seinerzeit die Schweiz geboren.
Das Rütli war immer wieder ein Ort, wo sich Politiker in ihrem Kampf für Unabhängigkeit und Frieden trafen. Im Jahr 1674 wurde auf dem Rütli eine Landsgemeinde abgehalten, weil die Grenzen bei Basel bedroht waren und weil im Kanton Uri eine innere Spaltung drohte. Und als sich Uri, Schwyz und Nidwalden wegen der Verwaltung der Vogteien im Tessin entzweit hatten, schlugen die Urner im Oktober 1704 vor, jährlich auf dem Rütli eine Zusammenkunft zu halten, um anstehende Konflikte in Frieden zu bereinigen. Nach dem für die katholischen Orte unglücklichen Ausgang des Zweiten Villmergerkriegs 1712 wurde der Gedanke einer Bundeserneuerung von den Schwyzern wieder aufgegriffen, und es fand eine urschweizerische Landsgemeinde auf dem Rütli statt. Zur Zeit der französischen Revolution und der Bedrohung der Alten Eidgenossenschaft wurde das Rütli zu einer patriotisch-geistigen Zufluchtsstätte.
Nach der Errichtung der «Helvetischen Republik» im Jahr 1798 fuhren auch die Räte dieses neuen Staatswesens auf das Rütli, um «dem ersten Freiheitsaltar ihrer Väter die schuldige Ehrfurcht und die Erstlinge des Dankes vom neuen wiedergeborenen Helvetien zu bringen.»
Im jungen Schweizer Nationalstaat, der 1848 gegründet wurde, verlor das Rütli zunächst an Bedeutung. Die moderne Schweiz von 1848 besitzt keinen eigentlichen Ort des Gedenkens und kein nationales Monument des Erinnerns. Das ist vermutlich mit ein Grund, warum das Rütli fast 100 Jahre später auf einmal wieder eine zentrale Bedeutung für die Schweiz erlangte. Nachdem Frankreich im Juni 1940 gefallen war, war die Schweiz vollständig von den Achsenmöchten des Zweiten Weltkriegs umzingelt und geriet unter starken militärischen, politischen und wirtschaftlichen Druck. Unsicherheit und Entmutigung nahmen in weiten Teilen der Bevölkerung und auch in der Schweizer Armee zu. Darum versammelte General Henri Guisan am 25. Juli 1940 die rund 500 höheren Offiziere und wählte als Ort dafür das Rütli.
Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Rütli nicht mehr so sehr ein Symbol der Freiheit, der Unabhängigkeit und des Widerstands. Vielmehr wurde der Ort für konservative und patriotische Propaganda gebraucht und missbraucht.
Bereits im Jahr 1945 kämpfte der Schwyzer Nationalrat Schuler gegen das sozialdemokratische Postulat des Frauenstimmrechts und argumentierte, dass die drei Eidgenossen auf dem Rütli anno 1291 alles Männer waren und dass darum Frauen in der Schweiz weder wählen noch in Ämter gewählt werden sollen. Diese mit dem Rütli assoziierte frauenfeindliche Tradition fand ihren Höhepunkt, als auf der Rütliwiese ein Sprengsatz explodierte, kurz nachdem die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am 1. August 2007 ihre Festansprache gehalten hatte.
In den letzten 50 Jahren wurde das Rütli aber nicht nur von frauen- und fremdenfeindlichen Gruppierungen politisch vereinnahmt. Im April 1968 hissten jurassische Separatisten auf der Rütliwiese die Fahne des späteren Kanton Jura. Und in der Nacht zum 1. August 1996 hissten Studenten der Universität Fribourg auf der Rütliwiese die Europafahne anstelle der Schweizerfahne.
Das Rütli morgen
Auf Grund der bewegten Geschichte, der prägenden Legenden, der dramatischen Dichtung und der politischen Vereinnahmung will die SGG diesen symbolisch aufgeladenen Ort in Zukunft proaktiv mit positiven Inhalten füllen und speziell fünf Aspekte fördern:
Das Rütli soll ein Denkmal ohne Denkmal sein. Es existiert eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen der symbolischen Bedeutung dieses nationalen Denkmals und der Einfachheit des Ortes selbst. Dieser Zwiespalt soll auch erhalten bleiben. Das Rütli bleibt die schweizerische Weihestätte, es ist ein verbindender Ort des Gedenkens ohne Pomp und Pathos. Es ist eine Stätte des Nachdenkens und der inneren Einkehr. Das Rütli soll bewusst ein Monument ohne Monument bleiben – ein Denkmal ohne Denkmal. Alle Versuche, auf dem Rütli Denkmäler zu errichten, scheiterten.
Das Rütli soll ein Ort der Integration sein. Gerade weil das Rütli in den letzten 15 Jahren verstärkt durch rechtsextreme Propaganda missbraucht wurde, versucht die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft das Rütli vor politischer Vereinnahmung möglichst zu bewahren. Darum hat die SGG im Januar 2014 eine Benutzungsregelung erlassen, die es politischen Gruppierungen untersagt, für partikuläre politische Ziele zu werben. Das Rütli wird zweifellos stets ein politischer Ort bleiben, aber er soll nicht für partikuläre politische Ziele instrumentalisiert werden, die die Schweiz und deren Einwohner spaltet, sondern eint. Das Rütli soll vermehrt ein Ort des Dialogs statt der Reden werden.
Das Rütli soll ein Lernort der Geschichte sein. Heute reisen weniger Schulklassen als früher auf das Rütli, weil in der Erlebnisgesellschaft eine simple Wiese mit Grillplatz nicht mehr attraktiv genug wirkt für Schulreisen. Darum wird die SGG einen Raum sowie mehrere Stationen auf dem Rütli einrichten, wo Kinder reell und virtuell erlebnisorientiert etwas über die Geschichte des Rütli und der Schweiz erfahren. Das Rütli soll so vom Denkmal zum Denk-mal werden.
Das Rütli soll ein Ort der Identität und des Zusammenhalts sein. Die Schweiz ist ein Land von verschiedenen Kulturen, Sprachen, Religionen, sozialen Schichten und Wertesystemen. Die nationale Identität und der landesweite Zusammenhalt sind darum nicht selbstverständlich. Aus diesem Grund wird die SGG regelmässig Menschen und Gruppen mit unterschiedlichem kulturellem und sozialem Hintergrund aufs Rütli einladen, damit diese gemeinsam ihre Identität der Einheit in Verschiedenheit reflektieren und stärken können.
Das Rütli soll ein Ort der globalen humanitären Tradition sein. Die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist stark in die globale Wirtschaft integriert. Die humanitäre Tradition, die Neutralität und die kulturelle Vielfalt haben international zum Erfolg und zum guten Ruf der Schweiz beigetragen. Die unprätentiöse Rütliwiese soll darum in Zukunft vermehrt zur Quelle werden für Menschen und Gruppen, die dem Frieden und der kulturellen Vielfalt weltweit dienen wollen. Die SGG ist offen, internationale Gruppen sowie Konferenzen, die in der Schweiz stattfinden, aufs Rütli einzuladen.
Lukas Niederberger