21. Juni 2024
Im Interview: Anders Stokholm, frischgewählter Präsident der SGG
Anders Stokholm, Sie sind an der Gesellschaftsversammlung mit grossem Mehr zum neuen Präsidenten der SGG gewählt worden. Herzliche Gratulation! Mit welchen Gefühlen sehen Sie Ihrer neuen Tätigkeit entgegen?
Mit Freude und Respekt! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Vorstand und Mitarbeitenden. Und ich habe Respekt vor den grossen Herausforderungen. Dies zum einen innerhalb der SGG mit der Weiterentwicklung der Organisation, zum anderen in der Öffentlichkeit, in der ich zunehmende zentrifugale Kräfte wahrnehme.
Was meinen Sie mit zentrifugalen Kräften?
Ich denke hierbei an politische Polarisierung. Nicht nur zwischen links und rechts, sondern auch zwischen progressiv und konservativ. Man bestärkt sich in den eigenen Kreisen, spricht jedoch je länger je weniger miteinander. Die sozialen Medien katalysieren diesen Prozess über ihre Algorithmen. Für eine Demokratie, die gerne möglichst direkt sein möchte, sind diese Entwicklungen Gift.
Was war Ihre Motivation, für dieses Amt zu kandidieren?
Seit meinen Jugendjahren engagiere ich mich gemeinnützig in Vereinen und Organisationen. Solche sind für den Zusammenhalt der Schweiz von grösster Bedeutung. Die SGG kann hier wichtige Impulse geben. Gerade auch im Hinblick auf die erwähnte Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft.
War die SGG als Institution Ihnen vorher ein Begriff?
Indirekt ja. Ich kannte sie als Gründerin zahlreicher wichtiger Institutionen wie Pro Juventute und Pro Senectute, in denen ich selber mitgearbeitet habe. Und natürlich als Organisatorin der Bundesfeier auf dem Rütli. Allerdings habe ich den Namen «Rütliverein» als Bezeichnung für die SGG erst kürzlich aus den Medien entnommen. Diesen finde ich völlig unpassend.
Warum?
Weil er die SGG zu einem monothematisch, auf einen Anlass ausgerichteten Verein degradiert. Die SGG ist viel mehr. Nämlich eine jahrhundertelange Geschichte mit wesentlichen Beiträgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sie sind Stadtrat von Frauenfeld, Präsident des Schweizerischen Städteverbandes und haben zahlreiche weitere Ämter inne. Wie können Sie sicherstellen, dass Sie für das SGG-Präsidium Zeit haben?
Ich habe mich für die SGG entschieden im Wissen darum, dass ich im Gegenzug bei anderen Mandaten Anpassungen machen muss, damit ich sicher genügend Zeit für das anspruchsvolle Amt habe. Diese Anpassungen werde ich in den nächsten Monaten machen.
Was für Ziele setzen Sie sich – was möchten Sie in die SGG einbringen?
Ich bringe einen breiten Erfahrungshintergrund in gemeinnütziger Arbeit, in kommunalen, kantonalen und nationalen Gremien sowie im Aufbau von politischen Netzwerken mit. Dies, sowie meine kommunikativen Fähigkeiten und Sozialkompetenzen möchte ich gewinnbringend für die interne und externe Zusammenarbeit der SGG einsetzen. So, dass die SGG ihre Tradition fortschreiben kann. Sie soll weiterhin ihren wesentlichen Beitrag leisten können zum Zusammenhalt der Schweiz und zur Teilhabe aller – unabhängig von sozialer Stellung, Bildung, Einkommen, Herkunft, Religion oder Geschlecht.
Sie sprechen die langjährige Tradition an. Die SGG befindet sich aktuell in einer Transformation. Sie hat eine eher turbulente Zeit hinter sich. Wie führen Sie die Organisation in ruhigere Fahrwasser?
Zunächst geht es für mich um Hinhören und Wahrnehmen. Darauf aufbauend werde ich mit Vorstand, Mitarbeitenden und Mitgliedern an der Weiterentwicklung der SGG arbeiten. Zentral ist mir der direkte Kontakt. Kritisches soll direkt und persönlich angesprochen werden, auch mir gegenüber. Letztlich verstehe ich uns alle als im Dienst der Gemeinnützigkeits-Idee. Und nicht von Gruppierungen, Parteien oder eigenen Ansprüchen.
Haben Sie eine Vision, in welche Richtung sich die SGG weiterentwickeln soll?
In der ersten Zeit will ich die Institution SGG und ihre Geschichte noch genauer kennenlernen und mit all ihren Facetten verstehen. Ich denke man muss wissen, woher man kommt, um zu entscheiden, wohin man geht. Die SGG wirkt seit 1810 als Pionierin und hat immer wieder neue Initiativen im Interesse des Landes angestossen. An diese Tradition möchte ich anknüpfen.
Zur Person
Anders Stokholm (Jg. 1966) ist seit 2015 Stadtpräsident von Frauenfeld und steht seit 2022 dem Schweizerischen Städteverband vor. Aufgewachsen ist er in Dänemark, Italien, auf Grönland und in der Schweiz. Anschliessend an die Matur studierte Anders Stokholm an der Uni Zürich Theologie. Nach sieben Jahren als Pfarrer der Kirchgemeinde Burg (Stein am Rhein), arbeitete er ab 1998 als Redaktor der reformierten Presse, ab 2002 als Geschäftsleiter der Stiftung Zukunft Thurgau und ab 2008 als Direktor des Sozialversicherungszentrums Thurgau. Für die FDP ist er seit 2016 Mitglied des Grossen Rates Thurgau. Daneben war und ist Anders Stokholm in zahlreichen Vereinen, Verbänden und Stiftungen tätig, wo er sich u.a. stark für Generationenthemen engagiert. Anders Stokholm ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.