8. Dezember 2018

Wie gendergerecht sind Generationenprojekte?

Eine von der SGG unterstützte Studie
Freiwilligenarbeit spiegelt nicht selten die Geschlechterrollen in Haushalt und Familie sowie im ersten Arbeitsmarkt und der Politik wider. Oftmals bedeutet dies: Würde den Männern, Bürde den Frauen. In Freiwilligenprojekten im Bereich der Generationenbeziehungen ist der Genderaspekt unterschiedlich bewusst. Nicht selten stehen Männer unter einem Generalverdacht.

Eine von der SGG unterstützte Studie
Landesweit sind rund 40 Prozent der erwachsenen Bewohnerinnen und Bewohner freiwillig tätig. In der formellen Freiwilligenarbeit (in Vereinen und Organisationen) wirken 24% Frauen und 27% Männer freiwillig, in der informellen Freiwilligenarbeit (Nachbarschaftshilfe) sind es 42% Frauen und 33% Männer. Die Tatsache, dass in der formellen Freiwilligenarbeit mehr Männer als Frauen engagiert sind, hängt vor allem damit zusammen, dass der Sport, wo 15% aller Männer und nur 7,5% der Frauen eine freiwillige Tätigkeit übernehmen, einen enormen Anteil ausmacht. Im kirchlichen Bereich sowie in sozialen Institutionen wirken sehr viel mehr Frauen als Männer freiwillig. Insofern widerspiegelt das freiwillige Engagement in der Zivilgesellschaft durchaus die Verhältnisse von Politik und Arbeitswelt.

Damit sich die Geschlechterrollen in der Freiwilligenarbeit in Richtung einer grösseren Gleichwertigkeit bewegen, sind mehrere Massnahmen nötig:

  • Stärkere gesellschaftliche und politische Anerkennung von freiwilliger Care-Arbeit
  • qualifizierende Nachweise der erworbenen Kompetenzen in der Freiwilligenarbeit
  • Möglichkeiten zur Aus- und Fortbildung in der Freiwilligenarbeit
  • Stärkere Vereinbarkeit von Freiwilligenarbeit mit Familie und Beruf durch flexible Einsätze, digitale Hilfsmittel sowie Freistellungsrechte und flexible Zeitfenster am Arbeitsplatz

Die SGG wollte auch mal den umgekehrten Fall in der Freiwilligenarbeit genauer betrachten: die Projekte, in denen Männer kaum vertreten sind. Die SGG beauftragte das Schweizerische Institut für

Männer- und Geschlechterfragen (SIMG), die Reflexion der Geschlechterrollen in Projekten der Generationenbeziehungen zu untersuchen. Die Online-Umfrage und Interviews fanden von Mai bis Juli 2018 statt. 35 von insgesamt 111 angeschriebenen Projektverantwortlichen haben sich an der Umfrage beteiligt. Und 7 Projektleiter/innen standen für Vertiefungs-Interviews zur Verfügung.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

  • 95% der befragten Projekte wollen beide Geschlechter erreichen. Insgesamt wird der Faktor Geschlecht gemäss Eigenbeurteilung unterschiedlich stark berücksichtigt. Etwa die Hälfte gewichtet diesen Aspekt eher stark, ein Drittel hingegen wenig bis überhaupt nicht. Auffällig ist, dass es sowohl in der Befragung wie auch auf Plattform www.intergeneration.ch kaum Projekte gibt, welche sich spezifisch an Männer, Frauen oder andere Geschlechtsidentitäten richten und sich explizit darauf spezialisieren.
  • Einem beträchtlichen Anteil der befragten Projekte gelingt es nicht, beide Geschlechter in ähnlichem Masse zur Mitwirkung zu gewinnen. Dies betrifft sowohl Freiwillige wie auch Nutzer/innen. Eine besondere Herausforderung stellt insbesondere die Aktivierung von männlichen Freiwilligen dar. Rund ein Drittel der Projektverantwortlichen kann konkrete Hürden für ein bestimmtes Geschlecht in ihrem Projekt benennen. Die Mehrheit nimmt jedoch keine Stolpersteine wahr.
  • Rund zwei Drittel der Projektverantwortlichen erachten es als relativ bis sehr wichtig, die Genderperspektive mit einzubeziehen. Der Einbezug des Faktors Geschlecht im Projekt geschieht jedoch in den wenigsten Fällen systematisch. Beispielsweise werden in 2 von 3 Projektteams die eigenen Geschlechterbilder und deren Auswirkungen auf die Projektarbeit nicht reflektiert und besprochen. Eine typische Aussage lautet etwa: «Vielleicht können wir bei unserer Liste der Helferdienste mal überlegen, ob wir diese textlich und mit Bildern so anpassen könnten, dass sich auch mehr Männer angesprochen fühlen. Oder ich könne mal aktiv rückfragen, wenn jemand einen Mann für Handwerkarbeiten sucht, ob das auch eine Frau sein könnte.»
  • Der Grad an Know-how zu genderreflektierter Projektarbeit wird in Organisationen, die Intergenerationen-Projekte umsetzen, unterschiedlich eingeschätzt. Etwas mehr als ein Drittel der Projektverantwortlichen zeigen sich interessiert an Wegen, die Genderperspektive stärker zu integrieren. Je rund ein Drittel der Befragten wünschen sich Planungs- und Reflexionstools, Praxisbeispiele und Erfahrungsaustausch rund um genderreflektierte Projektarbeit.
  • In manchen Projekten zeigt sich der Generalverdacht gegenüber Männern bezüglich möglicher sexueller Übergriffe. Männliche Freiwillige werden darum bei Projekten mit Kindern in der Regel genauer abgeklärt.[nbsp]

Die detaillierten Umfrageresultate finden sich unter:

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