Willkommen an der Bundesfeier 2025!
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) begrüsst Sie herzlich auf dem Rütli.
Zum Programm der Bundesfeier geht es hier.
Unter dem Motto «Einklang und Vielfalt» stellen wir die sprachliche Breite der Schweiz ins Zentrum. Ein Rahmenprogramm, das gemeinsam mit dem Verein Mundartforum gestaltet wurde, nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise durch die Dialekte und Landessprachen unseres Landes – eine sprachliche Tour de Suisse.
Auf der Bühne hören wir Texte aus acht Sprachregionen der Schweiz.
Wir folgen dabei dieser Route:
Tour de Suisse
ETAPPE 1 : Gesprochen im Obwaldner Dialekt
(Elisabeth Zurgilgen)
In der ersten Etappe unserer Reise geht es bald einmal bergwärts, durch das Schächental hinauf auf den Klausenpass, auf einer schmalen Strasse mit scharfen Kurven, vorbei an steilen Wiesen. Wo dort oben Uri aufhört und Glarus beginnt, war lange Zeit nicht klar. Es gab Streit; Flüche und böse Worte flogen hin und her – und wahrscheinlich noch andere Dinge. Bis man beschloss, es reiche jetzt, man wolle sich auf eine Grenze einigen. Am Morgen, beim ersten Hahnenschrei, sollte der schnellste Bursche von Altdorf loslaufen, hinauf auf den Klausenpass. Und die Linthaler sollten es gleich halten, und dort, wo die beiden sich träfen, dort sollte die Grenze gezogen werden.
Und seither ist die Grenze eben nicht im Schächtental und auch nicht auf der Passhöhe. Sie liegt ein gutes Stück jenseits des Passes. Und das nicht, weil der Glarner Läufer faul gewesen wäre oder getrödelt hätte. Nein, es war der Glarner Hahn, der versagt hat.
ETAPPE 2 : Gesprochen im Glarner Dialekt
(Rahel Antoniazzi-Streiff)
Der Hahn trägt Schuld, der verfressene, faule und fette, dass heute der Urnerboden oberhalb von Linthal so genannt wird.
Vom Grenzstein in der Glätti sausen wir auf der Klausenpass-Strasse über viele Kurven ins Tal. Mit dem Tödi, dem höchsten Glarner (Berg), im Rücken, fahren wir der Linth entlang durch das Glarnerland nordwärts bis Bilten, vorbei an vornehmen Bergformationen, beeindruckender Landschaft und Fabrikgebäuden, welche die historische Bedeutung der ehemaligen Textilindustrie widerspiegeln.
Der Kanton besteht nur noch aus drei Gemeinden, aber es gibt ganz viele Dialekte. Von Linthal bis Schwanden, im Kleintal und auch auf dem Kerenzerberg «schnetzed mir dr Spegg mit em treggete Messer» (= schneiden wir den Speck mit dem dreckigen Messer). Weiter Richtung Norden «schnätzed mir dr Spägg mit em träggete Mässer».
Die Schmalheit des Tals und der berühmte Glarner Kräuterkäse haben unserem Kanton den Übernamen «Zigerschlitz» gegeben. Tatsächlich hatten die gebildeten Pioniere zwar riesige Berge vor der Nase, aber sicher kein Brett vor dem Kopf.
Im schmucken Hauptort ist das Wort nicht nur an der Landsgemeinde frei, und auf die Schlacht bei Näfels blicken wir am jährlichen Gedenktag zurück. Beim Freulerpalast biegen wir Richtung Kerenzerberg ab. Der Blick auf den Walensee mit dem prächtigen Panorama ist einzigartig.
Es ist wohl nicht allein die Rauheit, welche im Glarnerdeutschen den Ton angibt. Man sagt uns ja nicht umsonst nach, wir würden singen beim Sprechen. Und Singen ist doch etwas sehr Schönes und Feines. Ob fein oder rau hängt allerdings auch von der Wortwahl ab. Grobschlächtiges Schimpfen kann gar erschrecken, egal wie viel Melodie in der Stimme steckt. Ich wage es nicht, Ihnen ein Beispiel zu geben… Die Rauheit und die Feinheit sind tatsächlich nicht weit voneinander entfernt.
In Mühlehorn lassen wir Zürich links liegen und reisen den Churfirsten entlang weiter in Richtung Sarganserland.
ETAPPE 3 – gesprochen im Bündnerdeutschen Dialekt (Obersaxen)
(Leonie Barandun-Alig)
Wenn du vor 101 Jahren auf deine Reise gegangen wärst, hättest du nicht schlecht gestaunt, bevor du von Sargans aus in den Kanton Graubünden gekommen wärst. Bei der Tardisbrücke bei Landquart hättest du nämlich zwei Pferde vor dein Auto spannen müssen, da Automobile hier bis 1925 verboten gewesen sind. Zu Fuss wäre es aber noch mühsamer gewesen bis nach Roveredo; vier, fünf Tage hättest du schon rechnen müssen, bis auf die andere Seite zu den Romanen. Bis im 15. Jahrhundert haben hier nämlich fast nur die Walser deutsch gesprochen. Alle anderen romanisch und italienisch. Fünf Idiome gibt es im Romanischen bis heute noch. Romanisch ist bei uns sogar eine der Amtssprachen, so wie Italienisch und Deutsch auch.
Durch die Viamala hinauf, durch das «Verlorene Loch», wie sie auch genannt wird. Steil und gefürchtet – böse und verflucht sagt man nicht umsonst. Dort sind schon einige hineingegangen, die nie wieder zurückgekommen sind. Froh wärst du gewesen, wenn du endlich in Hinterrhein angekommen wärst. Dort, wo schon vor 750 Jahren die ersten Walser aus dem Wallis eingewandert sind. Sie wollten keine Leibeigenen sein, die freien Walser. Sie wollten ihr eigener Herr und Meister sein und sich von niemandem etwas sagen lassen. Alleine so viel wie möglich, zusammen so viel wie nötig. Hinauf und über den San Bernardino hinunter sind auch die Walser mit dem Vieh gezogen, zu den Marktplätzen im Tessin und in Italien.
Von Sargans bis Roveredo, gut 130 Kilometer vom Norden in den Süden, die Alpen überqueren. Heute schaffst du das in gut 1,5 Stunden, wenn es keinen Stau hat. Dann kommst du durch die Rebberge der Bündner Herrschaft und durch die rauhe Landschaft im Rheinwald bis in das mediterrane Misox. Farbig und verschieden in Kultur, Sprache und Geschichte. Nichts von grau in diesem Graubünden.
ETAPPE 4 – gesprochen in Tessiner Mundart (lombardischer Dialekt) und regionalem Italienisch
(Mattia Canonica)
Wir bleiben im gleichen Kanton, aber wechseln die Sprache: Es geht abwärts (wortwörtlich bergab) in das Valle Mesolcina. Denn, wie ihr vielleicht wisst, wird Italienisch nicht nur im Tessin gesprochen. Wenn wir noch weiter runter gehen, kommen wir nach Bellinzona.
Die Einwohnerinnen und Einwohnern von Monte Carasso oder Giubiasco sagen nicht «Wir gehen nach Bellinzona», sondern «Wir gehen nach Burg». Das ist sehr interessant, denn es zeigt die Verbindung des Dialekts zum Deutschen und Französischen. Mir ist das aufgefallen, als ich in «in dentro», also in der Deutschschweiz, in Freiburg, studiert habe. Ich spreche einen etwas speziellen Dialekt, den alle verstehen. Er wird «il dialetto della ferrovia» genannt, allgemein bekannt als Tessiner Dialekt. Das ist dasselbe wie Züridütsch für die Deutschschweiz. Es ist eine Mischung aus vielen Dialekten und leicht verständlich.
Wenn wir jetzt mit dem Zug in Richtung Norden fahren, ins Leventina oder Valle di Blenio, dann habe ich selber auch Schwierigkeiten, Ausdrücke wie «Rivöi» o «Curéija du drèisch» zu verstehen (Für unsere Freundinnen und Freunde nördlich des Gotthards: Es ist wie der Uri- oder Walliser Dialekt, oder der französische Dialekt von Quebec). Da wir bereits in Airolo angekommen sind, überqueren wir den Nufenen und fahren dann direkt auf die Grimsel.
ETAPPE 5 – gesprochen im Berner Oberländer Dialekt (Frutigen)
(Martin Allenbach, nach einem Text von Maria Lauber)
Wenn man von der Grimsel durch das Berner Oberland in Richtung Wallis will, dann kommt man auch durch das Frutigland, wo sich die Kander und die Entschlige treffen. Nicht wahr! Es kommt einem schon merkwürdig vor, dass sich die zwei Gewässer so ungleichartig verhalten. Die Entschlige, sie kommt jeweils dahergeschossen, wild und schrecklich ungestüm, sie wirft sich hin und her im Bachbett, wie jemand, der die ganze Nacht träumt im Bett, sie nimmt hier einige Tannen und dort ein Stücklein Land hinweg. Braun wie geröstete Mehlsuppe kommt sie daher oder manchmal beinahe blau-schwarz vom Schiefergestein. – Gerade so wie ein ungehobelter Lümmel, den man mit der Rute züchtigen sollte.
Und dann die Kander, sie fliesst still und sanft durch die grünen Wiesen, macht gelegentlich eine kleine Kurve, damit sie besser einem freundlichen Häuschen in die Scheiben blinzeln kann, oder umschliesst mit einem Ärmchen einen kleinen Rain oder ein grünes Wieschen, und nur ein einiziges Mal – oder sind es vielleicht zwei – probiert sie, ob sie sich ein wenig heiter benehmen und aufspringen könnte. Sie trägt das blaue Sonntagskleid und nimmt nichts mit sich ausser gelegentlich ein Blümchen, welches sich zu weit vornüber neigte, wie ein Mädchen, dass am Sonntag in die Predigt geht und im Vorbeigehen ein Röschen abbricht über dem Gartenzaun und es sich zum Brusttuch steckt.
Früher war dies anders gewesen. Da war die Kander so wild wie die Entschlige. Da haben diejenigen von Kandergrund einen Kapuziner kommen lassen. Er hat die Kander gebannt. Sie haben die Frutiger gefragt, ob sie dies auch wollen. Aber diese nichtsnutzigen Leute wollten nicht. Jetzt haben Sie den Dreck!
So, und jetzt gehen wir nach Visp.
ETAPPE 6 – gesprochen in Patois (frankoprovenzalischer Dialekt) und regionalem Französisch
(Céline Rumpf)
Willkommen im Wallis, wir sind in Evolène und gehen runter ins Rhonetal. Oh Gott! Es ist so heiss!
Von Siders geht es weiter nach Sitten zu zwei Schlössern: Valère und Tourbillon. Anschliessend kommen wir an Savièse vorbei, wo die Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls Patois sprechen, und gehen weiter nach Martigny, um uns zu erfrischen. Wir fahren nach Monthey, um die Rhone zu beobachten. Und überschreiten hier die Grenze vom Wallis zum Kanton Waadt.
Weiter geht es entlang den Ufern des Genfer Sees. Am Seeufer lässt es sich gut entspannen: Man kann einen Cervelat grillieren, ein Brötchen dazu essen und ein kühles Bier geniessen. Wenn man die Schweiz weiter erkunden möchte, kann man in Freiburg Halt für ein gutes Moitié-Moitié machen oder im Kanton Waadt die traditionellen Malakoff probieren.
Unser nächstes Ziel ist der Jurabogen. Hier kann man sowohl im Neuenburger- als auch im Bielersee baden. Aber Achtung: Vergesst nicht euer Badetuch und eure Schwimmflügel! Schliesslich beenden wir unsere Reise ganz oben in der Romandie, im Jura, und geniessen ein grosses Stück des traditionellen Rahmkuchens Totché! Eines ist sicher: Wir gehen nicht mit leerem Magen.
ETAPPE 7 – gesprochen in Solothurner Dialekt
(Barbara Castro)
Für die nächste Etappe werden Sie am Schluss sehen, dass nicht nur ständig der Kanton wechselt, sondern auch der Dialekt. Von Biel (im Kanton Bern) nach Solothurn kannst du die Autobahn nehmen oder mit dem Zug fahren.
Es gibt jedoch noch einen schöneren Weg: Mit dem Schiff! Schleuse, Holzbrücke, Uhrenstadt, Störche und bei den Störchen das Restaurant «Zum Grüene Aff», bis nach Solothurn, wo die Schiffe neben dem Krumm-Turm ankommen.
Und weil es so schönes Wetter ist, können wir in Solothurn direkt in die Hafen-Bar gehen und ein Öufi-Bier von der Öufi-Brauerei trinken. Ja die Sache mit der Elf in Solothurn! Wir könnten natürlich nicht nur ein Bier trinken, sonder elf, aber dann schaffen wir es wohl nicht mehr weiter bis nach Liestal…
Jetzt müssen wir wirklich aufhören zu trödeln. Wir können nicht mal die Moutier-Bahn bis nach Delémont nehmen, weil der Weissenstein-Tunnel saniert wird.
Wir können natürlich auch über den Weissenstein oder über den Balmberg fahren. Das sind zwei Passstrassen. Nicht so hoch wie der Simplon oder so kurvig wie der Gotthard, aber dennoch Passstrassen mit engen Kurven, wo immer wieder einmal einer stecken bleibt.
Erst gerade Mitte Mai meinte zuerst ein Chauffeur, er müsse mit seinem Sattelschlepper über den Weissenstein fahren, obwohl mehrere Schilder anzeigen, dass dies verboten ist. Und natürlich ist er stecken geblieben und man hat die Strasse mehrere Stunden lang sperren müssen. Nur ein Tag später ist ein Car-Chauffeur am Balmberg in einer Kurve weder rückwärts noch vorwärts gekommen. Und auch dann war die Passstrasse fünf Stunden lang gesperrt.
Die Geschichten zeigen, wie gross, hoch und unüberwindbar die Jura-Kette ist. Sie ist auch eine Sprachgrenze. Vor dem Jura, am Jura-Südfuss, sprechen wir wohlverstanden ganz anders als diejenigen hinter dem Berg. Und weil das so ist, kann ich jetzt auch nicht mehr weitererzählen, wie man von Delsberg über Basel nach Liestal kommt. Das ist völlig anderes Terrain… Doch wenn Ihr Navi nur ein Mü besser ist als dasjenige dieser beiden Chauffeure, dann finden Sie Liestal garantiert.
ETAPPE 8 – gesprochen in Schaffhauser Dialekt
(Martin Harzenmoser)
Und jetzt stellen Sie sich vor ihrem geistigen Auge vor, Sie würden in Liestal in ein Schifflein steigen, die Ergolz hinunter, bis Kaiseraugst und dort in den Rhein. Von dort aus geht es dann rheinaufwärts bis zum Rheinfall – und schon ist man im Kanton Schaffhausen! Dort sagt man zum Beispiel: Einen Korb voll Seife die Leiter hinunterschleppen – oder: Am unteren Brunnen hat die Sonne geschienen.
Unser Dialekt ist wie unsere Heimat: warmherzig breit und voller Erdgeschmack. Es lohnt sich, einmal zu uns hinaus zu kommen, in den Norden der Schweiz. Man kommt ins Staunen! Bei einem Bummel über den Randen kann man manchmal auch Blumen entdecken, die man sonst fast nirgends in der Schweiz sieht, und wer über den Reiet wandert, entdeckt in der Ferne die mächtigen Hegauvulkane. Schön ist auch, in einem Schiff gemütlich rheinaufwärts zu fahren. Vorbei an alten Klöstern und geheimnisvollen Wäldern geht die Fahrt und am Schluss erreicht man Stein am Rhein, wo oberhalb, auf dem Klingen, eine alte Burg steht.
Im Staanerzipfel spricht man übrigens noch eine ganz andere Mundart: Ramser Dialekt. Erschrecken Sie nicht, wenn dort einer plötzlich einen anderen fragt: Hat keiner keinen Kamm? Dann will er nur wissen, ob keiner einen Kamm hat. Sehenswert ist natürlich auch unser Rheinfall und die Stadt Schaffhausen mit ihrem trutzigen Munot, den malerischen Gassen und den alten Patrizierhäusern mit ihren kunstvollen Erkern.
Und dann der Klettgau: In diesem breiten, fruchtbaren Tal haben die Trauben ein ganz besondere Klima – kein Wunder, gibt es dort einen wunderbaren Wein – und 29 verschiedene Ausdrücke für den Zustand des Betrunkenseins.
Aber leider müssen wir schon wieder weiter – via Zürich nach Rotkreuz im Kanton Zug.
ETAPPE 9 – gesprochen im Obwaldner Dialekt
(Elisabeth Zurgilgen)
Auf dem Weg von Rotkreuz aufs Rütli fällt mir dieser Hahn wieder ein und der Streit um die Grenze. Wahrscheinlich hat mich das «Rot» in Namen Rotkreuz darauf gebracht. Ein schönes Rot nannten wir als Kinder «Fiirgiggelrot», was meint, «so rot wie ein Hahn».
In Luzern gehen wir aufs Schiff und haben so noch einmal etwas Zeit für diese Geschichte mit dem Hahn. Die Glarner gaben ihm das beste Futter, damit er in Form sei und früh am Morgen krähe. Aber das verwöhnte Tier schlief lange, und es war schon längst Tag, als es endlich krähte. Und erst jetzt durfte der Glarner Läufer losrennen, und er war noch weit unterhalb des Passes, als ihm der Urner begegnete. Die Urner nämlich hatten ihren Hahn nicht gefüttert, so dass der Hunger ihn früh weckte.
Übrigens ist der Hahn, egal ob fett oder mager, das Symbol für Wachsamkeit und Aufbruch. Und für Widerstand, wenn etwas nicht gut läuft. Und passt darum zu Glarus genauso gut wie zu Uri. Und zur ganzen Schweiz.