11. August 2025
Mentorinnen und Mentoren im Gespräch: «Es geht nicht immer geradeaus»
Wenn Jürg Altenburger von seiner ersten Begleitung einer Jugendlichen erzählt, fällt kein grosses Wort. Aber man spürt sofort, was ihn antreibt.
Damals sass ein Mädchen in der Abschlussveranstaltung der Sekundarschule Embrach, wo Altenburger Schulpräsident war. Während andere Jugendliche erzählten, welche Lehre sie nach den Sommerferien beginnen würden, sagte sie bloss: «Ich habe nichts.» Der Satz blieb hängen. «Das beschäftigte mich», erinnert sich Altenburger.
Er war kurz zuvor in Pension gegangen, nach 34 Jahren bei IBM, davon 25 Jahren in leitenden Funktionen. Doch der Abschied vom Beruf bedeutete nicht Rückzug, sondern Aufbruch. Altenburger gründete kurzerhand ein eigenes Projekt für Schulabgänger ohne Lehrstelle. Er baute ein Netzwerk auf, vermittelte Praktika, begleitete Jugendliche. «Das war mein Einstieg», sagt er im Gespräch auf der Geschäftsstelle der SGG.
Das Mädchen konnte er ein Jahr lang begleiten, vermittelte ihr eine Stelle in einem Betrieb, später ein Praktikum im Altersheim und schliesslich den Einstieg ins Gesundheitswesen. «Ich musste ihr ein bisschen Zeit lassen. Aber am Ende hat es funktioniert.»
«Bei mir gibt’s nur eines im Gespräch: klare Tatsachen»
Heute, mit fast 80, ist Altenburger Mentor bei Job Caddie Zürich – und hat in den letzten Jahren über zwanzig Jugendliche begleitet. Was ihn auszeichnet, ist nicht nur seine Lebenserfahrung, sondern eine Haltung, die er selbst so beschreibt: «Bei mir gibt’s nur eines im Gespräch: die Wahrheit. Klare Tatsachen.» Wer ihm begegnet, spürt schnell: Hier hört jemand wirklich zu.
Serie: Mentorinnen und Mentoren im Gespräch
Dieser Text ist der erste Teil einer kleinen Serie, in der wir einige der 100 freiwilligen Mentorinnen und Mentoren vorstellen, die sich beim SGG-Programm Job Caddie mit viel Zeit, Herz und Erfahrung für junge Menschen einsetzen. Sie begleiten, hinterfragen, hören zu – und machen oft den entscheidenden Unterschied. Mehr erfahren oder selbst mitwirken? Hier geht es zur Website von Job Caddie.
Viele der jungen Menschen, die ihm zugeteilt werden, haben keinen einfachen Weg hinter sich. «Ich bin interessiert an schwierigen Fällen», sagt er trocken. Doch was nach Abgeklärtheit klingt, ist in Wahrheit tiefes Engagement. In den Gesprächen fragt er nach, hakt nach, scheut sich nicht, auch heikle Themen anzusprechen.
Solche Offenheit verlangt Vertrauen. Das weiss auch Altenburger. «Die erste halbe Stunde ist vielfach schwierig. Aber wenn das Vertrauen einmal da ist, dann kann man reden.» In solchen Gesprächen helfe ihm seine Lebenserfahrung, sagt Altenburger, der selbst drei Kinder und ein Enkelkind hat.
Altenburger spricht Klartext, auch in kleinen Dingen. «Ich sage auch mal: So wie Sie angezogen sind, können Sie sich nirgends bewerben gehen.» Und doch ist da nie Verurteilung. Sondern Geduld. Viel Geduld. «Das ist entscheidend. Ich glaube, ein Mentee merkt, wenn Sie als Mentor keine Zeit aufwenden wollen.»
Auch mit kleinen Schritten ist viel getan
Was ein erfolgreiches Mentorat für ihn ist? «Wenn ich mindestens einen Weg aufzeigen kann, wie es weitergeht.» Nicht immer führt dieser direkt in eine Lehre. «Es geht nicht immer geradeaus», sagt er. Manchmal braucht es zuerst eine psychische Stabilisierung, manchmal die Unterstützung durch eine Beiständin oder ein Gespräch mit der Familie. Wenn ein Mentee das möchte, begleitet Altenburger auch diese Etappen, weil er weiss, dass nur realistische Schritte wirklich helfen.
Er sieht sich selbst als jemand, der etwas zurückgibt. «Die IBM hat mir viel gegeben, sie hat mir die ganze Welt aufgetan», sagt er. «Jetzt will ich etwas zurückgeben, an junge Menschen, denen es weniger rund läuft.»
Dass es gelingt, zeigt sich oft erst Jahre später. Manche der jungen Erwachsenen, die heute im Berufsleben stehen, melden sich bei ihm, besuchen ihn, bringen ein Geschenk mit, erzählen, wie ihr Weg weiterging. Für Altenburger ist das keine Pflicht, sondern der schönste Lohn. «Es ist eine Genugtuung, einem jungen Menschen zu helfen.» Man glaubt ihm das sofort.
Auch mit 80 Jahren ist für ihn noch nicht Schluss. Neben dem Mentoring berät er weiterhin Schulbehörden, gibt sein Wissen als ehemaliger Schulpräsident weiter, entwickelt Projekte – und stellt immer wieder neue Weichen.
In aller Kürze: Drei Fragen an Jürg Altenburger
So war ich mit 16:
«Sportbegeistert.»
So bin ich als Mentor:
«Geduldig, aber konsequent.»
Das bedeutet Job Caddie für mich:
«Eine Genugtuung, jungen Menschen eine Freude zu machen.»