Kennen Sie mehr als eine Strophe der Schweizer Nationalhymne auswendig? Falls nicht, so geht es Ihnen wie den meisten Schweizerinnen und Schweizern. Der Text des «Schweizer Psalms» ist schwierig zu merken, sprachlich sperrig und nicht mehr der Realität entsprechend. Die Schweiz wird nicht in ihrer heutigen politischen und kulturellen Vielfalt abgebildet. Dies soll sich ändern: Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) fördert die Schaffung einer zeitgemässen Nationalhymne und hat einen Künstlerwettbewerb ausgeschrieben. Über 200 Vorschläge wurden der SGG zugesandt. Die Öffentlichkeit und die Jury haben die verschiedenen Beiträge bewertet und am 12. September 2015 wurde am Eidgenössischen Volksmusikfest der Wettbewerbssieger verkündet.
Wieso?
Die SGG ist der Überzeugung, dass ein neuer Text, welcher der heutigen Schweiz angemessen ist, der Nationalhymne zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung verhilft. Als textliche Grundlage für die neue Hymne gelten Inhalt, Sinn und Geist der seit 1999 in Kraft getretenen Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung. Eine zeitgemässe Hymne soll mit mehr Freude und Begeisterung gesungen werden.
Heute ist die SGG in der glücklichen Lage, fünf Hymne-Texte präsentieren zu können. Neben den Texten in den vier Landessprachen wurde eine zusätzliche Variante kreiert, die sogenannte «Schweizer-Strophe». In dieser Variante wechseln sich die Landessprachen jeweils nach zwei Versen ab.
Partituren in allen vier Landessprachen und von der Schweizerstrophe
Die SGG bemüht sich seit 1810 um die Stärkung der Solidarität in der Schweizer Zivilgesellschaft und um die Integration verschiedener Bevölkerungsgruppen. Eine moderne Hymne auf der Grundlage der Präambel der Bundesverfassung soll ebenfalls den Zielen Integration und Solidarität dienen. Hier können Sie noch mehr über die Beweggründe für das Projekt erfahren: Interview Jean-Daniel Gerber, Präsident der SGG
Gegner eines neuen Hymnentextes argumentieren gerne, dass Nationalhymnen unveränderlich seien und sein sollen. Diese museale Ansicht verdrängt aber nicht nur die Tatsache, dass vor der heutigen Schweizer Nationalhymne bereits eine andere Hymne existierte (Heil dir, Helvetia»), sondern blendet auch aus, dass Nationalhymnen weltweit dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind. In Deutschland wurden nach dem 2. Weltkrieg die ersten beiden Hymnenstrophen gestrichen. In Österreich wurde vor einigen Jahren der Hymnentext angepasst, damit die beiden Geschlechter gleichberechtigt darin vorkommen. Diese Anpassung wurde im Jahr 2016 auch in Canada vorgenommen.
In mehreren Staaten existieren Initiativen zur Erneuerung der Nationalhymne:
Deutschland
www.preussischer-kulturbesitz.de
Frankreich
www.lexpress.fr
www.change.org/la-marseillaise
Italien
www.gabblog.it/inno-nazionale-italiano/
www.ilsecoloxix.it/p/italia
Canada
www.theguardian.com/canada-national
USA
www.change.org/p/the-congressional-black-caucus-change-america
Die Schweizerische Nationalhymne hat eine bewegte Geschichte. Die heutige Hymne wurde im 19. Jahrhundert vom Urner Komponisten Alberik Zwyssig komponiert. Der Text stammt vom Zürcher Liederdichter Leonhard Widmer. Zur offiziellen Hymne wurde der «Schweizerpsalm» vom Bundesrat allerdings erst 1961 erklärt. Bis zu diesem Jahr galt als Landeshymne das Lied «Rufst du, mein Vaterland» – nach der Melodie der noch heutigen britannischen Landeshymne. Seit 1961 gab es verschiedene politische und künstlerische Vorstösse, den «Schweizerpsalm» als Hymne zu ersetzen.
Lesen Sie mehr zur Geschichte der Hymne.